Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
leisten will.“
Um die angespannte Stimmung etwas aufzulockern, riss Matt einen schlechten Scherz. „Wow. Ich frage mich, wann Anais eine Nonne wird.“
„Sie hat keine Sünden begangen, die sie bereuen muss.“ Pearl wandte sich wieder den Medikamenten zu, aber Matt sah dennoch den Hauch eines traurigen Lächelns auf ihrem Gesicht. Sie begann ein Gebräu zusammen zu mischen. Er nahm an, dass sie es ihm mit Hilfe einer IV-Ampulle applizieren wollte.
„Ich dachte, Anais tut nichts, wenn es keine Sünde ist.“ Diesmal war es kein Witz; er glaubte es wirklich.
Pearl lachte. „Aber ihre unterscheiden sich sehr von meinen. Sie sind harmlos. Ich glaube, ich habe dabei geholfen, vielen Menschen Schaden zuzufügen. Soldaten.“
„Wir alle fügen dem Feind auf irgendeine Art Schaden zu.“
„Die Soldaten, denen ich den meisten Schaden zugefügt habe, waren keine Feinde.“
Matt wurde kalt. Instinktiv wusste er, dass sie ihm keinen Schaden zufügen wollte. Aber sie mischte irgendwelche Medikamente für ihn zusammen. Auf der anderen Seite hätte James ihn niemals mit ihr alleingelassen, wenn er irgendwelche bösen Absichten gespürt hätte.
Pearl sah ihn an. „Nicht diese Art von Schaden. Ich war kein Spion oder Doppelagent. Ich habe zu einer Einheit gehört, die den Einsatz von biokybernetischer Technik an Soldaten erforscht hat. Irgendwann kam der Punkt, wo ... Experimente gemacht wurden.“ Sie hielt seinem Blick stand. „An Soldaten der Psi-Force.“
Oh. Oh . „Ähm … James –”
„Ich muss mit James sprechen; feststellen, was mit ihm los ist.“ Sie sah Matt zögernd an. „Ich hatte gehofft, du könntest mit ihm darüber reden. Mir scheint, ihr steht euch nahe.“
Standen sie sich nahe? Vielleicht wie Soldaten auf gemeinsamer Mission oder sogar auf noch intimere Art? Aber beides war nah genug für den Zweck. „Ja, ich rede mit ihm.“
Sie blies leise, aber doch deutlich hörbar, den Atem aus. „Du kannst dich hier ausruhen, bis es dir wieder besser geht. Ich habe noch nicht nachgesehen, aber nach dem, was James angedeutet hat, wird es ein paar Tage dauern, bis du in der Lage bist, ohne Hilfe zu reisen.“ Er wollte etwas entgegnen, aber sie ließ es nicht zu. „Zu Fuß, ohne Pferd, ohne jemanden, der dich auf einem Pferd halten könnte, ohne Schlaf, wenn nötig.“
Oh. So viel besser also.
„Ich hätte gerne ein paar Stunden Zeit für das Gespräch mit James. Morgen wäre gut. Jetzt leg dich hin. Ich muss mir deinen Arm und deine Schulter ansehen.“
Matt fiel mehr aufs Bett, als dass er sich hinlegte. Wunden waren eine schwierige Angelegenheit für ihn. Zumindest seine eigenen. Mit denen von anderen Leuten konnte er umgehen, so wie früher auch. Notversorgung, Diagnose, was immer nötig war. Aber jedes Mal, wenn er selbst verletzt wurde, musste er gegen die Erinnerung ankämpfen wie er in New Mexiko in einem Gebüsch gelegen und gesehen hatte, dass sein Bein nicht mehr da war.
Er konzentrierte sich auf eine Stelle an der Decke und versuchte sich mit der Musik abzulenken. Es war die leicht unharmonische, instrumentale Dance Musik, die in den 2070ern beliebt gewesen war. Nicht so sein Ding. Schnell hatte Pearl die Druckpflaster entfernt und die Schulterwunde mit einem Luftzirkulationsumschlag verbunden. Für den Arm brauchte sie länger. Sie musste erst die Wunde säubern.
„James hätte das machen sollen, als er deine Schulter versorgt hat. Es tauchen ständig neue, gefährliche Erreger auf. Das Risiko hätte er nicht eingehen dürfen.“ Sie murmelte so leise vor sich hin, dass Matt nicht wusste, ob sie mit ihm sprach oder mit sich selbst. „Warum hat er es nicht gemacht?“, fuhr sie nach einem kurzen Moment fort.
„Ähm ... ich erinnere mich nicht. Vielleicht wurden wir unterbrochen.“ Oder vielleicht war er damit nicht gut klar gekommen und James hatte entschieden, dass seine geistige Gesundheit wichtiger war, als die körperliche?
Pearl warf ihm einen Blick zu, sagte aber nichts und beugte sich wieder über seinen Arm. Sie hatte die Wunde mit Betäubungsspray versorgt und er spürte nichts als Ziehen und Drücken.
Matt hörte wie die Dusche abgedreht wurde. Pearl verband seine Wunde mit einem atmungsaktiven Verband. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich wirklich gut und er wurde schläfrig. Er konnte weder seinen Arm noch seine Schulter spüren und fühlte sich ein wenig benebelt. „Hast du mir Schmerzmittel gegeben?“
„Ja, als ich deinen Arm betäubt habe. James
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