Ackermann tanzt
bringen, weil et ihr peinlich is’, wenn se mit Papa oder Mama gesehen wird.«
Nadine zuckte die Achseln, klappte die Sonnenblende runter und begutachtete ihr Make-up im Spiegel. »Ihr Problem!«
Ackermann hielt direkt vor dem Eingang. »Dann will ich aber auch mit rein un’ ebkes rumspinxen.«
»Wenn du nichts Besseres vorhast. Aber das Auto kannst du hier nicht stehen lassen. Die schleppen alles sofort ab.«
»Ach nee?« Ackermann zog den Schlüssel ab und ließ ihn hin- und herbaumeln. »Dat woll’n wer doch ma’ sehen. Hast du vergessen, dat dein Papa Bulle is’? Ich hab sogar meine Marke dabei.«
Mit dem Rausschmeißer an der Tür tauschte er einen kurzen Blick. Sie hatten – beruflich – schon ein paar Mal miteinander zu tun gehabt.
Das Zelt war gepackt voll, über allem hing eine feuchte Dunstwolke, vor den Lichtern wirbelten Staubpartikel. Die Tanzfläche konnte er nicht sehen, die musste weiter vorn sein.
»Wat is’ dat denn für ’ne Musik? Venus , ich werd’ nich’ mehr! Ich dachte, ihr hört diesen technischen Mist.«
»Quatsch!« Nadine sah sich suchend nach Bekannten um.
» Venus von den Shocking Blue , ich glaubet nich’. Weißt du, dat ich die selbs’ ma’ gesehen hab? In Emmerich war dat, muss so 70 oder 71 gewesen sein. Manno, die Sängerin, dat war ’n scharfes Teil! Hatte man nächtelang feuchte Träume von.«
Nadine hörte nicht mehr zu. Sie hatte jemanden in der Menge erkannt und winkte.
»Okay«, sagte Ackermann, »ich zisch dann mal ab. Langsam krieg ich doch Schmacht auf ’n Bier.«
Sein Blick blieb am Getränkestand hängen – Warsteiner gab es da. Aber Blödsinn – was sollte er hier Geld ausgeben, wo zu Hause noch ein gut gekühltes 20-l-Fass auf ihn wartete?
An der rechten Wand hatte man eine Pommesbude aufgebaut. War das hinter der Theke nicht der ...? Doch sicher!
»Ej, Hubert, alte Socke! Sach ma’, hasse Hela -Ketchup da? Den extra scharfen, mein ich.«
»’n Abend, Jupp. Sicher hab ich Hela da. Wie sollte ich wohl sonst ›spezial‹ machen?«
»Du könns’ mir nich’ vielleicht eine Flasche davon verkaufen? Ich mein, so aus alter Freundschaft.«
4
So frisch und fit hatte van Appeldorn sich seit Monaten nicht mehr gefühlt, schon gar nicht an einem Montagmorgen. Endlich einmal war ein Wochenende nach seinem Geschmack verlaufen. Anna war seit Freitag bei irgendeiner Freundin gewesen und die Kleine hatte fast die ganze Zeit mit ihrer neuen Barbiepuppe gespielt. Kein Zank, kein Streit. Auch Marion hatte nicht rumgemeckert, nicht mal, als er am Freitag mit den Jungs vom Fußball einen trinken gegangen war. Im Gegenteil, sie war nicht nur äußerst anschmiegsam gewesen, sie hatte auch endlich mal wieder ihre Phantasie ins Spiel gebracht – und davon hatte sie immer schon reichlich gehabt –, und zwar Samstag- und Sonntagnacht. Sein Muskelkater würde ihn noch ein paar Tage daran erinnern.
Er hatte ihr sogar ohne Mucksen sein Auto überlassen, als ihres eben wieder nicht angesprungen war. Würde er eben zu Fuß zum Präsidium gehen, wo es gerade mal nicht regnete.
Er schnupperte, als er vor die Haustür trat. Heute roch es tatsächlich ein bisschen nach Sommer. Nicht einmal der Gedanke an Ackermann konnte seiner guten Laune was anhaben. Irgendwie würde er die vier Wochen schon umkriegen. Und eins musste man Ackermann lassen: Faul war er nicht.
Van Appeldorn ging am Fuß der Schwanenburg entlang und nahm die Treppe, die zur Großen Straße hinabführte. Um diese Uhrzeit war in der Stadt nicht viel los. Die meisten Geschäfte hatten noch geschlossen.
Schade eigentlich, dachte er, als er am Dessousladen vorbeikam. Da lag ein sagenhafter roter Stringtanga im Fenster mit der passenden Winzigkeit von Büstenhalter. Vielleicht hatte er ja im Laufe des Tages ein paar Minuten Zeit, kurz in die Stadt zu fahren. Ackermann würde ihm bestimmt seinen Wagen leihen, oder Walter, falls der da war.
Van Appeldorn überquerte den Minoritenplatz. Ein viel zu schöner Name für diesen hässlichen Parkplatz. Baulücke nannten es die Politiker und planten Kaufhäuser, Wohnungen, Restaurants. Ein gigantischer Klotz würde hier wohl bald entstehen, noch mehr Einzelhandelsgeschäfte würden den Bach runtergehen. Die Ladenbesitzer liefen Amok. Zu Recht, aber wen interessierte das? Moderne Zeiten, man wollte ja den Anschluss nicht verpassen, man wollte ja nicht auf der Strecke bleiben.
Warum war eigentlich bisher keiner auf die Idee gekommen, hier einen Park anzulegen?
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