Ackermann tanzt
erschienen sie beide früh zum Dienst, saßen dann jedoch nur da und stierten vor sich hin. Sie mussten sich etwas Besseres ausdenken als die Falle gestern Nacht, aber im Augenblick waren sie so müde, dass sie keine zwei vernünftigen Gedanken zusammenbekamen. Auch van Gemmerns Bestätigung, dass die beiden Abdrücke tatsächlich vom selben Schuh stammten, konnte sie nicht so recht wecken. Die Information würde erst etwas wert sein, wenn sie den zum Schuh gehörigen Menschen fanden.
Als das Telefon klingelte, wechselten sie lange Blicke, keiner wollte rangehen, aber schließlich gab sich van Appeldorn geschlagen.
Es war Wim Lowenstijn.
»Ich nehme an, der Name Björn Giltjes sagt dir etwas.«
»Was denkst du wohl, wer den Fall bearbeitet!«
»Wenn ich dir sagen könnte, wo der Junge steckt, was würdest du tun?«
Van Appeldorn wurde schlagartig wach. »Ich würde ihm eine ganze Menge Fragen stellen.«
»Könntest du für seine Sicherheit garantieren?«
»Wie meinst du das? Jetzt red doch mal Klartext, Mensch!«
»Der Junge ist in Lebensgefahr. Ist das klar genug?«
»Und woher weißt du das?«
»Das erkläre ich dir gleich. Ich will nur erst eins von dir hören: Bist du bereit, persönlich für seine Sicherheit zu sorgen?«
»Jetzt reicht’s mir aber, Wim. Wo steckt Giltjes? Und was hast du mit ihm zu tun?«
Man konnte förmlich sehen, wie Ackermanns Ohren immer größer wurden.
»Ich sage dir, was ich weiß«, antwortete Lowenstijn. »Björn Giltjes war an dem Einbruch in der Bresserbergstraße beteiligt. Es war eine Sache, die er und Andreas Kaufmann ganz allein geplant hatten, aber offensichtlich hat jemand Wind davon bekommen. Die beiden Jungen sind nämlich gestört worden, und zwar von einer Gruppe, die man die Schwarze Polizei nennt. Sagt dir das was?«
»Ja, schon, aber wir wissen noch nichts Genaues.«
Jetzt hielt Ackermann es nicht mehr aus. Er rollte mit seinem Stuhl dicht an van Appeldorn heran und versuchte mitzuhören.
»Björn ist jedenfalls vor diesen Leuten getürmt«, fuhr Lowenstijn fort, »und hat sich bei seinem Onkel auf einem Bauernhof in Emmerich versteckt. Nur sein Vetter wusste davon; er hat den Jungen versorgt, mehr schlecht als recht. Vor ein paar Tagen ist plötzlich die Schwarze Polizei auf dem Hof aufgetaucht und hat Björn gesucht. Frag mich nicht, woher die sein Versteck kannten. Auf alle Fälle hat der Onkel sie verscheucht; er hielt sie für gewöhnliche Einbrecher. Am Tag darauf haben sie Björns Vetter nach der Schule abgefangen, ihn zusammengeschlagen und gedroht, ihn zu töten, wenn er Björn nicht rausrückt. Diese Leute sind übrigens bewaffnet, mindestens einer von ihnen hat eine Pistole. Sie haben den Hof überwacht, aber den beiden Jungen ist es doch gelungen zu fliehen. Verstehst du, Norbert? Die Sache ist bluternst. Das ist kein Kinderspiel. Björn Giltjes ist tatsächlich in größter Gefahr und er hat Angst. Es nutzt nichts, wenn du ihn bei euch im Präsidium vernimmst und ihn nachher zu seinen Eltern bringst. Und komm mir nicht mit Polizeischutz und Zeugenschutzprogramm. Wir wissen beide, wie so was läuft. Diese Terroristen wollen den Jungen unter allen Umständen und ich bin sicher, die finden einen Weg, wenn wir uns nicht etwas Vernünftiges einfallen lassen.«
»Und was stellst du dir vor?« Van Appeldorn spürte eine hilflose Wut in sich aufsteigen. Ackermann fing an, wild zu gestikulieren und zu flüstern, aber van Appeldorn drehte sich weg. »Soll ich ihn etwa bei mir zu Hause verstecken und Händchen halten?«
»Genau daran hatte ich gedacht!« Lowenstijn lachte. »Ich wusste doch, dass wir uns verstehen.«
»Das kann ich nicht machen, Wim. Ich komme in Teufels Küche.«
»Norbert, da muss noch jemand anderes in der Leitung sein. Ich habe gerade einen deutschen Beamten sprechen hören.«
Ackermann grinste breit, van Appeldorn knirschte mit den Zähnen. »Kaaskopp! Also gut, ich mach’s, okay?«
»Prima! Dann müssen wir nur noch die Übergabe regeln. Ich weiß nicht, ob die Schwarze Polizei Björns Spur bis hierher verfolgen konnte. Daniel hat das Gelände im Auge und bis jetzt ist alles ruhig, niemand zu entdecken. Trotzdem sollten wir auf Nummer Sicher gehen.«
Van Appeldorn unterbrach ihn: »Kannst du mir sagen, wie du an Giltjes gekommen bist?«
»Später. Siehst du eine Möglichkeit, ihn unauffällig hier abzuholen?«
»Nicht, wenn die Schwarze Polizei tatsächlich bei euch rumlungert. Die kennen Ackermann und mich. Wer weiß,
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