Ackermann tanzt
»Ihr müsst euch wieder reinhängen.«
»Bei Jacqui ist nichts zu holen«, sagte Fanny, »echt nicht.«
»Dann lasst euch was anderes einfallen, Schlampe.« Killer grinste und sprang auf die Füße. »Ihr hört von uns. Ihr habt ja gesehen, wir finden euch überall.«
Wim Lowenstijn machte es sich mit einem Whisky auf der Couch vor dem Kamin bequem und dachte nach. Eines stand fest: Björn hatte schlotternde Angst und keinen Menschen, dem er traute. Dass die Polizei ihn beschützen konnte, glaubte er nicht und vielleicht hatte er sogar Recht damit.
»Der Kleine schläft schon wieder.« Jocelyne war leise in den Salon gekommen. »Er isst und schläft und schläft und isst. Er ist so schwach, aber er hat kein Fieber mehr.«
Lowenstijn klopfte neben sich auf die Couch. »Der Kleine, mignon ... Jocelyne, du und Muttergefühle! Ich muss gestehen, das beunruhigt mich.«
Sie setzte sich neben ihn, legte die Beine hoch und schmiegte sich in seine Arme.
»Mach dir keine Sorgen, Cheri, du weißt, wie sehr ich meinen Beruf liebe.«
»Mehr als mich?«
»Mehr als alles.«
Er seufzte. »Kein Wunder. Den ganzen Tag mit Diamanten zu tun, die schönsten Steine der Welt, in einer der schönsten Städte ...«
»... mit der schönsten Mafia im Nacken«, ergänzte sie trocken. »Aber was ist dabei? Ich liebe die Gefahr.«
»Und mich.«
»Und dich.« Mit einem Lächeln nahm sie den Whisky entgegen, den er ihr eingeschenkt hatte. »Alors, was machen wir mit dem Kleinen?«
»Der Kleine, Jocelyne, ist ein ausgemachtes Früchtchen.«
»Das denke ich nicht. Er ist nur sehr, sehr einsam.
Pauvre petit! Glaubst du seine Geschichte?«
Lowenstijn betrachtete die Lichtreflexe im geschliffenen Whiskyglas. »Ja, die Geschichte klingt absurd, aber ich glaube ihm.«
»Und was machen wir nun?«
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Fest steht nur, dass ich meine Lizenz riskiere, wenn ich den Jungen weiter bei mir verstecke.«
Jocelyne machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es gibt so viele schöne Dinge für dich zu tun.«
»Selbstverständlich, aber ich brauche hin und wieder Arbeit, sonst werde ich unzufrieden. Das muss das deutsche Blut in meinen Adern sein. Ich werde Daniel rufen.« Er drückte auf den Klingelknopf am Kaminsims. »Wir müssen die Sache in Ruhe durchsprechen.«
Einen Wimpernschlag später stand der Brite in der Tür. »Sie haben geläutet, Sir?«
Lowenstijn verdrehte die Augen. »Jetzt zieh endlich den Cut aus und nimm den Binder ab. Ich gebe dir für heute frei. Du bist jetzt außer Dienst.«
»Ein Butler ist immer im Dienst, Sir.«
»Daniel, ich warne dich!«
Baldwin setzte sich, ohne eine Miene zu verziehen. Jocelyne stand auf und goss auch ihm einen Whisky ein. Er nahm das Glas sehr vorsichtig. Seit neun Jahren war er weg aus Birmingham, seit neun Jahren schon arbeitete er nicht mehr als Schweißer, aber seinen Händen sah man es immer noch an.
»Also, was ist, Daniel?«, fragte Lowenstijn. »Glaubst du dem Jungen?«
»Natürlich, ich frage mich nur, wie groß seine Phantasie ist.«
»Was meinst du?«
»Nun, wie gefährlich sind diese Terroristen wirklich? Sind sie immer noch hinter ihm her? Würden sie ihn tatsächlich töten? Aber es kommt nicht darauf an, im Grunde. Wir müssen diese Leute finden in jedem Fall.«
»Wir müssen den Jungen der Polizei übergeben, Daniel, und das weißt du auch.«
»Nein, Wim«, rief Jocelyne, »das kannst du nicht tun! Er hat solche Angst.«
Daniel Baldwin brummelte etwas von »deutscher Polizei« und »deutschen Gesetzen«. »Wir können nicht sein Leben riskieren.«
»Wenn Toppe da wäre«, sinnierte Lowenstijn.
»Das ist, was ich dachte«, bestätigte Baldwin. »Was, wenn du mit van Appeldorn sprichst?«
»Ich weiß nicht.«
»Wir finden einen Weg«, sagte Baldwin entschieden.
Eine gute halbe Stunde planten sie, verwarfen wieder. Jocelyne hörte ihnen schweigend zu und mischte sich erst am Schluss wieder ein. »Ihr werdet es nicht heute tun und nicht morgen! Björne ist noch viel zu schwach. Das lasse ich nicht zu! Er muss Kraft haben, wenn er geht.«
»Na bitte«, Lowenstijn lachte. »Ich sag’s ja: Löwenmutter.«
Van Appeldorn und Ackermann saßen im Büro und hingen schon seit einer ganzen Weile, jeder für sich, ihren Gedanken nach, aber das Schweigen zwischen ihnen war nicht unangenehm. Ackermann hatte Recht behalten: Das kleine Gewitter hatte die Luft gereinigt, van Appeldorn war wesentlich duldsamer. Sogar gestern Abend, als sie gemeinsam
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