Acornas Welt
wurde intensiver.
»Joh, lass das«, sagte Aari.
»Ich wollte es nur mal versuchen«, meinte Becker.
»Tschuldigung, Pflanzen. War nicht böse gemeint.«
Aari war damit beschäftigt, mit einer Hand das Garn abzurollen, und hielt den Scanner in der anderen. »Es sollte jetzt nicht mehr weit sein, Joh«, sagte er. »Die Trümmer müssten direkt vor uns liegen.«
Eine Öffnung im Blätterdach war zu erkennen, und Acorna sah eine lang gezogene, röhrenartige Kapsel, die zwischen verbogenen und verkohlten Pflanzen direkt auf ihrem Weg lag.
Becker stieß mit dem Fuß dagegen und drehte sie um.
Dahinter konnten sie weitere Trümmer des abgestürzten Schiffes im Dschungel erkennen. Obwohl sich unter diesen Trümmern nichts erkennbar Wertvolles befand, beschloss Becker, alles zur Condor mitzunehmen. »Vielleicht hilft es uns rauszufinden, warum die Niriianer das Mayday gesendet haben«, sagte er. »Vielleicht finden wir einen Hinweis darauf, was für Ärger sie hatten und wer sie angegriffen hat.« Er kratzte sich am Kopf. »Glaub bloß nicht, dass das zu meiner üblichen Arbeit gehört, Acorna, denn das wäre falsch. Wracks finden, ja, aber im Allgemeinen stolpere ich nicht über Trümmer, noch bevor sie kalt sind. Und bei dieser Geschichte hier kriege ich ein komisches Gefühl im Magen.«
»Ich auch«, gestand Acorna.
Aari blickte überrascht auf. »Entschuldigt, Joh und Khornya.
Mir war nicht klar, dass ihr die Nachricht von der Hamgaard nicht verstanden habt. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich sie für euch übersetzt.«
»Hamgaard?«, fragte Becker.
»Das ist der Name des niriianischen Schiffs, von dem die Botschaft kam, die uns hierher geführt hat. Die Niriianer sind seit vielen, vielen Jahren Handelspartner meines Volkes. Wie wir sind auch sie ein nichtaggressives Volk. Bevor ich… ich meine, bevor ich meinen Bruder verloren habe, war ich an mehr als einer Handelsmission nach Nirii beteiligt.«
Er wandte sich ab und stieg über die in ihrer Nähe liegenden Trümmer hinweg, um die Stücke zu holen, die weiter entfernt lagen.
Als Acorna ein paar Fragmente aufhob, bemerkte sie, dass sie zum Teil mit einer klebrigen roten Flüssigkeit überzogen waren. Zuerst dachte sie, es wäre Blut, dann jedoch erkannte sie, dass die Farbe eher ein tiefer Bernsteinton war und die Flüssigkeit viel zu transparent war, als dass es sich um menschliches oder Linyaari-Blut handeln konnte. Es war zweifellos die Quelle des beißenden Geruchs, den sie schon zuvor bemerkt hatten, und sie zog die Nase kraus. »Puh«, sagte sie zu Becker. »Das ist es, was hier so stinkt.«
Becker sah sich die abgerissenen und verkohlten Ranken in ihrer Nähe genauer an und entdeckte, dass sie einen roten Glanz hatten, den Acorna bei den Pflanzen näher am Schiff nicht bemerkt hatte. »Ich glaube, du hast Recht. Sie scheiden dieses Zeug aus.«
Acorna schaute genauer hin. Die rötliche Flüssigkeit lief die Rankenstiele entlang, sammelte sich ganz unten und floss von dort aus langsam auf die Trümmer zu.
»Wir werden dieses Zeug gut abschrubben müssen«, meinte Becker angewidert.
Aari sah es sich ebenfalls genauer an und nickte. Dann drehte er sich plötzlich um, sprang über die Trümmer und rannte schneller zum Schiff zurück, als Acorna ihn je hatte laufen sehen.
»He, Kumpel, was ist denn? Warte doch!« Becker und Acorna jagten hinter ihrem Freund her, aber Aari war schon wieder auf der Hebebühne, bevor sie ihn erreichen konnten, und rollte sich dort mit fest geschlossenen Augen und heftig zitternd in Fötusstellung zusammen. Schweiß und Tränen liefen ihm übers Gesicht. SB berührte ihn prüfend mit der Pfote und blickte dann mit großen Augen zu Becker auf.
Becker fuhr die Hebebühne hoch, und er und Acorna brachten Aari vorsichtig zurück zu seiner Koje. »Bleib du hier bei ihm«, sagte Becker zu ihr. »Ich nehme den KEN mit, um die Fracht einzuladen.«
Acorna hatte sich gegen Aari gelehnt, sodass er die ganze Zeit über mit ihrem Horn in Berührung blieb, als sie ihn ins Schiff brachten, und er war jetzt ruhiger. Er zitterte und schwitzte nicht mehr. Die heilenden Fähigkeiten der Linyaari wirkten sich bis zu einem gewissen Grad ebenso auf seelische Wunden aus wie auf körperliche, doch Acorna wusste, dass dies Grenzen hatte. Bei besonders tiefen seelischen Verletzungen konnte sie nicht viel tun, besonders wenn es um Qualen ging, wie Aari sie erlitten hatte.
Als man ihn gefoltert hatte, hatte sein Überleben davon
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