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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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ihre Wangen. Lunau verfluchte sich dafür, dass er jetzt in Italien saß, in diesem Minicooper, neben diesem Mädchen. Frauen und Kleinkinder, die weinten, es gab nichts, was mehr an den Nerven zerrte.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte Lunau.
    »Fahren Sie zu Ihrem Hotel, das letzte Stück schaffe ich schon.«
    »Ich fahre Sie nach Hause, und dann gehe ich zu Fuß oder nehme mir ein Taxi.«
    Ihr Widerstand war gebrochen. Sie dirigierte ihn durch lange Boulevards, die für eine Stadt mit 135 000 Einwohnern erstaunlichgroßzügig wirkten. Sie bogen in eine lange Allee, die Reifen prasselten auf den Flusskieseln. Vor einer Villa mit Garten und mehreren Limousinen ließ sie ihn halten. Sie schaltete ein Navigationsgerät am Armaturenbrett ein und tippte auf dem Touchscreen herum.
    »Folgen Sie den Pfeilen, dann kommen Sie zu Ihrem Hotel.«
    »Ich nehme mir ein Taxi.«
    »Nehmen Sie das Auto. Sie sehen ja, wir haben genug davon«, sagte sie und deutete auf den Fuhrpark, den man durch das sich öffnende Metalltor sehen konnte. Sie stieg aus, lehnte sich noch einmal in die offene Beifahrertür, und Lunau musste bewusst an ihrem Ausschnitt vorbeischauen. Noch so eine Situation, die er nicht ausstehen konnte.
    »Wir sollten uns eine halbe Stunde vor Prozessbeginn treffen, vielleicht wird es eng im Saal«, sagte sie. »Holen Sie mich ab?«
    »Ich dachte, die Medien interessieren sich nicht für den Fall,« sagte Lunau und startete den Motor.
    »Natürlich schicken alle pro forma ihre Reporter hin, aber dann werden die Artikel auf ein paar nichtssagende Floskeln zusammengestrichen.«
    Sie schlug die Tür zu, und er wartete, bis sie den weitläufigen Vorplatz überquert hatte und im Haus verschwunden war.
6
    Jetzt musste er seinen Jagdinstinkt beherrschen, diese flimmernde Erregung, die ihn kurz vor dem Ziel befiel. So ruhig und überlegt agieren, als ginge es um eine von den vielen Tausend Händen, die er in letzter Zeit gespielt hatte, und nicht darum, ob er hier am Tisch die Führung übernahm und sich für das Main Event qualifizierte. Das erste Turnier der World Series, das in Italien ausgetragenwurde, mit insgesamt 1,5 Millionen Dollar Preisgeldern. Endlich hatte er seine Gegner so weit, wie er wollte. Er hatte ein Königpärchen auf die Hand bekommen und vom ersten Moment an Druck gemacht, die ganze Hand hatte er lehrbuchmäßig gespielt. Er hatte erhöht und Mad Max zum Fold gezwungen, nach dem Flop (für die anderen kam nur Müll, für ihn der dritte König ), hatten Sweet Caroline und Cavallo Pazzo die Segel gestrichen, nach dem Turn auch Öresund. Alle hatten ordentlich Geld investiert in Blätter, die nicht aufgegangen waren. Der Pott war voll, der Tisch leer, bis auf einen Gegner: Charlie’s Angel. (Die Vorstellung, dass er gegen eine Frau kämpfte, löste einen besonderen Kitzel aus. Natürlich hatte der Deckname nichts zu bedeuten, aber die Art, wie sie einen Moment zögerte, ehe sie sich zum Setzen oder Folden durchrang, wie sie mit exzellenten Händen fast scheu die Zügel in die Hand nahm, das hatte etwas Frauliches an sich.) Er hatte einen Königdrilling, mit einer passenden Karte kam ein starkes Full House zusammen, was mochte Charlie’s Angel haben? Ein Flush war nicht möglich, denn die Farben auf dem Tisch waren bunt gemischt. Ein Bube lag im Flop, im Höchstfall hatte sie, falls sie mit einem Pärchen gestartet war, einen Bubendrilling. Hielt sich also für bärenstark, zu Recht, aber er war noch stärker. Denn wenn durch den River noch ein Pärchen zu Stande kam, dann ergänzte dieses Pärchen ihrer beider Blatt. So waren nun einmal die Regeln im Texas Hold’em. Dann stand ihr Buben-Full-House gegen sein König-Full-House. Ideal. Er war dran. Wie viel sollte er setzen? Ohne sie zu verschrecken? Er musste sie ködern, indem er unsicher wirkte. Oder er erhöhte so extrem, dass sie einen Bluff witterte. Aber würde sie dann mitgehen, so viel Geld auf den Tisch werfen, nur um einen Bluff zu entlarven? Das taten Frauen selten. Das Eigenkapital war ihnen wichtiger als die Demütigung des anderen. Er durfte auch nicht wie das hilflose Opfer wirken, sonst weckte er womöglichMutterinstinkte, dann würde Charlie’s Angel versuchen, sich den Pott zu holen, ohne ihn weiter bluten zu lassen. Er musste sie reizen, die Domina in ihr wecken. Aber gab es in ihr eine Domina?
    Er hörte unten das Telefon. Seit ein paar Minuten klingelte sein Handy, aber das hatte er ignoriert, jetzt hielt der Nervtöter sich ans Festnetz.

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