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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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ihrem Fall mochte die Differenz bei siebzig Prozent liegen. Sie hörte, wie er seine Jacke an die Wand hängte, seinen Schlüsselbund lässig auf den Tisch warf. Sie wusste, dass er gleich hereinkommen würde, dass seine Schritte im Nebenraum nur dazu dienten, ihrer beider Verlangen zu steigern. Sie kannte jede seiner Gesten und doch zuckte sie zusammen, als die Tür sich mit einem Ruck öffnete, der Luftzug an den Kanten der Papiere zupfte und die Jalousie mit einem blechernen Knall gegen den Fensterrahmen schlug. Er lächelte sie an, schloss die Tür, ging vorbei und drehte an dem Sechskantstab, bis die Lamellen sich aneinander schmiegten und im Raum nur noch Schummerlicht herrschte.
    Er fuhr mit seinen Fingerspitzen über das Schlüsselbein, das sich hart und zerbrechlich unter ihrer fast transparenten Haut abzeichnete. Er griff mit einer Hand an ihre Kehle und drückte so fest zu, dass sie den Druck des Blutes in ihrem Schädel spürte. Sie schaute in seine Augen, die Pupillen waren geweitet, als hätte erKokain geschnupft. Er lächelte. Kleine Sterne flimmerten am Rand ihres Gesichtsfeldes, der Sauerstoffmangel machte sich langsam bemerkbar, war jetzt kein angenehmer Kitzel mehr. Da ließ die Hand von ihr ab und schob sich unter ihre Bluse, tastete an den Rippenbögen entlang , griff nach der fast knabenhaft flachen Brust und stimulierte ihre Brustwarze.
    Seine Zunge schmeckte nach Tabak und Minze, sie war rau und hart. Als ihre Becken aneinanderschlugen, sah sie in seinen Augen die freudige Überraschung. Sie wusste, wie sehr er diesen Knochen an ihr mochte, wie gerne er sie mit beiden Händen packte, um ganz in sie einzudringen, um ganz eins zu werden mit ihrem Körper, an dessen Vervollkommnung er so großen Anteil hatte. Er schien gemerkt zu haben, dass sie noch einmal ein halbes Kilo abgenommen hatte.
    Er hatte nie von ihr verlangt, dass sie etwas künstlich verändern ließ. Kein Skalpell, kein Silikon. Er war ein Naturbursche, wie er so gerne sagte. Er mochte Jagdhunde, natürlich gereifte Weine und magere Frauenkörper. Je magerer desto lieber, so einfach war die Formel.
    Sie spürte, wie die heiße Flüssigkeit sie erfüllte, während er ins Hohlkreuz ging und heftig schnaubte, seine Oberschenkel zu zittern begannen und er seinen Mund von dem ihren löste. »Du, du  …«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Du kleines Biest weißt, wie du mich um den Verstand bringst.«
    Sie antwortete nicht. Männer konnte man nicht um den Verstand bringen, sie hatten keinen. Sie dachte an ihren Vater, der wie ein Tier unter Tieren lebte. Der in einem plötzlichen Anfall von Blutrausch alle Ziegen geschlachtet, ihre Haut gegerbt und auf Getreidesiebe gespannt hatte, um daraus Trommeln zu machen.
    Während er seine Jeans zuknöpfte, war sein Blick plötzlich wieder hellwach. Er fischte ein Foto aus seiner Jackentasche und gab es Dany. Sie war darauf zu sehen, im Bikini, unten am Lido.Man sah noch die Hitze auf ihren Wangen, den Rausch des Neuen. Warum wollte er dieses Bild nicht mehr?
    »Aber …?«
    »Du musst mir einen Gefallen tun.«
    Sie wartete und dachte an die Neuigkeit, die sie ihm hatte mitteilen wollen. Aber die Panik war stärker als die Gedanken.
    »Du musst es mit ins Büro nehmen.«
    »Wieso denn?«
    »Ich gebe dir noch Bescheid. Sonst irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nur ein Anruf, ein Journalist aus Deutschland, den Namen habe ich notiert«, sagte sie, aber die wirkliche Neuigkeit war eine andere: Sie hatte die Pille abgesetzt. »Ich habe schon eine Familie, ich will kein Kind von dir«, sagte er immer. Aber sie wollte ein Kind von ihm. Sie wollte, dass er in ihr weiterlebte, egal was passieren würde.
4
    Es war Mittwoch, der 28. April, als Kaspar Lunau in Ferrara eintraf. Zwei Tage waren seit Amanda Schiavons Anruf vergangen. »Du lieber Himmel«, dachte er, als er das groß gewachsene Mädchen auf dem Bahnsteig winken sah. Er schob sich mit seinem Koffer durch den Ausstieg und kämpfte gegen die wogenden Massen der Pendler an. Das Mädchen rannte fast, seine Wangen glühten vor Anstrengung oder Begeisterung, als es vor ihm stand und ihm die Hand hinstreckte.
    »Wie haben Sie mich erkannt?«, fragte Lunau.
    »Sie sehen genau so aus wie auf den Fotos.«
    »Auf welchen Fotos?«
    »Von ›Solidarnews‹, aus dem Internet.«
    »Sie hatte ich mir dagegen anders vorgestellt.«
    Das Mädchen hatte blau gefärbte Haare, die in Zapfen von ihrem Kopf abstanden, eine ganze

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