Adam 01 - Die letzte Chance der Menschheit
Spielerei«, verkündete der Medizinmann. »Die aber nicht das Geringste mit Magie zu tun hat. Es handelt sich hier um simple Beeinflussung der menschlichen Sinne, meine angehenden Hüter von Gesetz und Ordnung!«
Quinton hob seine Hände auf Brusthöhe, bewegte sie flink hin und her und bildete mit den Fingern geometrische Figuren wie Dreiecke, Rauten oder Kreise.
»Ihr fragt euch sicher, was das jetzt wieder zu bedeuten hat?«
Adam und die anderen Polizeischüler betrachteten den Medizinmann teils skeptisch, teils fasziniert.
»Es ist eine weitere Ablenkung«, erklärte Quinton und unterbrach abrupt das hektische Spiel seiner Finger. »Seit ich diesen Raum betreten habe, ist es mir gelungen, all eure Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. So ist keinem aufgefallen, dass ich einen Gast mitgebracht habe.«
Quinton deutete mit dem Arm zur Zimmerdecke. »Darf ich vorstellen!«
Alle Blicke folgten der Bewegung.
Zuerst schrie Nia. Ein schrilles Kreischen. Dann stimmten andere mit ein. Stühle fielen krachend zu Boden, als fast alle Schüler gleichzeitig aufsprangen.
Delanis Augen drohten aus ihren Höhlen zu springen. »Oh, oh, oh!«, machte er leise. Ganz langsam, ohne den Blick von der Zimmerdecke abzuwenden, tastete er sich zur Wand. Möglichst weit weg von Quintons »Gast«.
Adam folgte seinem Freund und spürte, wie sich die feinen Härchen auf seinen Unterarmen aufrichteten.
Fast genau in der Mitte der Zimmerdecke hockte regungslos eine Spinne.
Von einer so enormen Größe, wie Adam es nicht für möglich gehalten hätte. Ihr kugelförmiger Körper mochte einen Durchmesser von mindestens dreißig Zentimetern besitzen. Mit den acht Beinen, die, wie Adam jetzt feststellte, kaum wahrnehmbar zitterten, brachte sie es auf einen Umfang von einem ganzen Meter. Ihr Leib war mit kurzen braunen Stoppeln bedeckt.
Jetzt bewegte die Spinne ihre beiden Kieferklauen und stieß dabei einen Laut, ein leises Zischen aus.
Irgendjemand lachte hysterisch. Einige Schüler rannten zur Tür.
Quinton klatschte zweimal in die Hände.
Adam zuckte zusammen und verschränkte instinktiv die Arme über seinem Kopf, als die Spinne in atemberaubendem Tempo über die Decke flitzte, dann die Wand hinablief und sich neben Quinton auf dem Boden niederließ.
»Das ist Pik! Ihr steht übrigens nicht auf seinem Speiseplan«, sagte der Medizinmann. »Aber die heutige Lektion lautet: Nichts und niemand darf hundert Prozent eurer Aufmerksamkeit beanspruchen. Auch nicht ein dicker Mann in einem glänzenden Umhang, der mit den Händen fuchtelt. Das sichert euer zukünftiges Überleben.«
»Und Pik ist wirklich echt?«, fragte Delani und sah aus, als müsste er sich gleich übergeben.
Quinton ging schnaufend in die Knie und strich mit einer Hand über die braunen Borsten der Spinne. »Natürlich. Jetzt, wo wir Menschen nicht länger die ganze Welt dominieren, kehrt vieles zurück, was sich bisher vor uns verborgen gehalten hat. Manches hatte sich vor uns gefürchtet, manches wittert nun eine Chance.«
Dieses Mal sah er kurz in Adams Richtung.
»Und jetzt setzt euch bitte wieder hin. Sonst ist der arme Pik noch beleidigt.«
***
Weil »Pik euch ja doch nur bei der notwendigen Konzentration stört«, war Quinton wenig später für einen Moment verschwunden, um die Spinne woanders unterzubringen.
Normalerweise begann unmittelbar, nachdem ein Lehrer die Klasse verlassen hatte, eine lautstarke Unterhaltung. Doch jetzt herrschte Stille. Die Schüler sahen sich entgeistert an. Nur ein paar wagten es zu flüstern.
»Bin ich wirklich wach, Adam?«, wisperte Delani. »Oder ist das hier ein ganz mieser Traum?«
Adam schüttelte den Kopf. »Kein Traum«, sagte er und verspürte mehr denn je den Wunsch, seinem Freund alles zu erzählen, was er in den letzten Tagen erlebt hatte.
Delani sah zur Tür. »Ich frage mich, wo er dieses Spinnenvieh deponiert. Im Lehrerzimmer? Das wird sicher lustig.« Er lachte nervös.
Quinton kehrte nach kurzer Zeit zurück und setzte sich wieder hinter das Pult. »Ich sehe in euren Gesichtern Fragen über Fragen. Unglauben und Neugierde. In unserer ersten gemeinsamen Stunde sollt ihr mir daher eure Fragen stellen. Es gibt keine Tabus.« Er machte eine Pause und lächelte. »Sagen wir lieber: fast keine Tabus.«
Eine Weile hielt die bedrückende Stille an, dann sah Adam, wie Nia, das Mädchen mit den asiatischen Zügen, langsam die Hand hob.
»Bitte, Nia!« Quinton nickte ihr freundlich zu, und Adam fragte sich, ob
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