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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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hatte die Mütze auf dem schwarzen Lockenschopf weit ins Genick geschoben, und seine Augen funkelten wie helle Schlitze aus dem wettergegerbten Gesicht.
    Mandy sagte: »Ich bin hier wegen einer Stelle. Hab’ mir nur rasch mal den Fluß angesehen.«
    »Ach, der Fluß läuft Ihnen nicht weg. Da drüben geht’s rein.« Er wies mit dem Daumen Richtung Innocent Lane.
    »Ja, ich weiß.«
    Betont unbeeindruckt sah Mandy flüchtig auf die Uhr, wandte sich um und betrachtete noch zwei volle Minuten lang die Fassade von Innocent House. Erst dann ging sie, mit einem letzten Blick zurück auf den Fluß, zur Innocent Lane hinauf.
    An der Tür prangte ein Schild: PEVERELL PRESS – BITTE TRETEN SIE EIN. Mandy drückte die Klinke und ging durch ein verglastes Foyer zum Empfang. Gleich links neben einem bauchigen Schreibtisch bediente ein grauhaariger Mann mit freundlichem Gesicht die Telefonzentrale. Er begrüßte Mandy lächelnd und hakte ihren Namen auf einer Liste ab. Als sie ihm ihren Sturzhelm zur Aufbewahrung gab, griffen seine kleinen, altersfleckigen Hände so vorsichtig danach, als hätte sie ihm eine Bombe gereicht. Zuerst schien er nicht recht zu wissen, wo er damit hin sollte, dann legte er ihn einfach neben sich auf den Tisch.
    Als er sie telefonisch angemeldet hatte, sagte er: »Miss Blackett wird gleich herunterkommen und Sie zu Miss Etienne führen. Wenn Sie inzwischen Platz nehmen möchten?«
    Mandy setzte sich an einen niedrigen Tisch, auf dem neben drei Tageszeitungen etliche Literaturzeitschriften und Kataloge ausgebreitet waren. Ohne einen Blick daran zu verschwenden, sah sie sich in dem Raum um, der anscheinend früher einmal sehr elegant gewesen war. Jedenfalls paßten der Marmorkamin mit dem Ölgemälde vom Canal Grande in der Täfelung darüber, die feine Stuckdecke und das Schnitzdekor ganz und gar nicht zu der modernen Empfangstheke, den zwar bequemen, aber unschönen Allzweckstühlen, dem großen, mit Boi bespannten Anschlagbrett und dem Aufzug rechts vom Kamin. An den sattgrün gestrichenen Wänden hingen eine Reihe sepiafarbener Porträts. Mandy, die darin die Peverellsche Ahnengalerie vermutete, war gerade aufgestanden, um sich die Bilder aus der Nähe anzusehen, als ihre Eskorte erschien, eine stämmige, unansehnliche Frau, die wohl Miss Blackett sein mußte. Sie begrüßte Mandy ohne jedes Lächeln, warf einen überraschten, ja fast entsetzten Blick auf ihren Hut und bat sie dann, ohne daß sie sich selbst vorgestellt hätte, ihr zu folgen. Mandy ließ sich durch diese Frostigkeit nicht beirren. Offenbar hatte sie es hier mit der Privatsekretärin des Geschäftsführers zu tun, die von Anfang an ihren Status demonstrieren wollte. Mandy kannte den Typ.
    Beim Betreten der Halle verschlug es ihr den Atem. Sie stand auf einem Mosaikfußboden aus farbigem Marmor, von dem sechs schlanke Säulen mit reichgeschnitzten Kapitellen zu einer verschwenderisch ausgemalten Decke emporstrebten. Ohne auf Miss Blackett zu achten, die ungeduldig am Fuß der Treppe wartete, blieb Mandy unbefangen stehen und drehte sich langsam im Kreis, den Blick starr nach oben gerichtet, wo die gewaltige illuminierte Kuppel sich scheinbar mit ihr drehte; Paläste sah sie dort, Türme mit wehendem Banner, Kirchen, Häuser, Brücken, unter denen sich, geschmückt mit den Segeln hochmastiger Schiffe, ein Fluß hindurchschlängelte, und kleine Putten, aus deren geschürzten Lippen in kleinen Pustewölkchen günstige Winde entströmten, wie Dampf aus einem Kessel. Mandy hatte schon in allen möglichen Büros gearbeitet, von chromblitzenden, lederbestückten Glastürmen, ausstaffiert mit den neuesten Wundern der Technik, bis hin zu besseren Besenkammern mit nichts als einer uralten Schreibmaschine auf einem Holztisch darin, und sie hatte beizeiten gelernt, daß das Ambiente eines Büros nicht unbedingt auf die finanziellen Verhältnisse der Firma schließen läßt. Aber ein Bürogebäude wie Innocent House hatte sie noch nie gesehen.
    Schweigend stiegen sie die breite, doppelläufige Treppe hinauf. Miss Etiennes Büro im ersten Stock war offenbar früher einmal die Bibliothek gewesen, doch nun hatte man eine Schmalseite des Raums abgetrennt und daraus ein kleines Vorzimmer gemacht. Eine junge Frau mit ernstem Gesicht, die so dünn war, daß sie schon magersüchtig wirkte, streifte Mandy nur mit einem flüchtigen Blick, während sie etwas in ihren Computer eingab. Miss Blackett öffnete die Verbindungstür. »Mandy Price ist da, das

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