Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
persönlich sehe allerdings keinen Grund dazu – ich meine für diese Hinwendung zu den Klassikern. Das ist euer Anliegen, nicht meins. Was spricht gegen Thriller und Kitsch, wenn das den Leuten nun mal gefällt? Es ist ganz schön elitär zu behaupten, Trivialliteratur habe nur dann eine Berechtigung, wenn sie gewissermaßen als Sprungbrett zu Höherem dient. Oder was ihr dafür haltet, du und Gabriel.«
»Willst du damit sagen«, fragte Dauntsey, »man sollte keine Werturteile fällen? Das tun wir doch praktisch jeden Tag.«
»Ich meine nur, man sollte andere Menschen nicht bevormunden. Und ich finde, daß ich mich als Verleger mit meinem Werturteil zurückhalten muß. Andernfalls stehen wir nämlich vor mindestens einem unlösbaren Problem: Wenn ich mit gängigen Titeln, egal ob gut oder schlecht, kein Geschäft machen darf, wie soll ich dann die weniger populären Bücher für jene Minderheit finanzieren, die ihr als kritische Leserschaft verehrt?«
Frances Peverell wandte sich ihm jetzt direkt zu. Ihre Wangen glühten, und sie hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Warum sprichst du immerfort in der ersten Person? Dauernd heißt es: ›Ich tue dies, ich verlege das.‹ Du magst hier der Geschäftsführer sein, aber deswegen bist du noch lange nicht der Verlag. Den repräsentieren wir alle fünf gemeinsam. Und wir haben jetzt keine Programmkonferenz. Die ist erst nächste Woche. Heute sind wir zusammengekommen, um über die Zukunft von Innocent House zu beraten.«
»Stimmt. Und darum schlage ich vor, daß wir das Angebot annehmen und die Verhandlungen in Gang setzen.«
»Und wo sollen wir deiner Meinung nach hinziehen?«
»In ein Bürogebäude in den Docklands. Vielleicht flußabwärts irgendwo. Wir müssen noch darüber reden, ob wir was kaufen oder einen langfristigen Mietvertrag eingehen. Beides ist möglich. Die Preise sind so niedrig wie nie zuvor. Vor allem in den Docklands waren Immobilien noch nie so günstig. Und seit die neue Bahn, die Docklands Light Railway, in Betrieb und der Ausbau der U-Bahn beschlossene Sache ist, kann man das Areal da unten ja auch problemlos erreichen. Wir brauchten nicht mal mehr das Motorboot.«
»Sollen wir etwa Fred nach all den Jahren auf die Straße setzen?« fragte Frances.
»Meine liebe Frances. Fred ist ein erstklassiger Fährschiffer. Der findet problemlos einen anderen Job.«
»Du gehst das zu überstürzt an, Gerard«, sagte Claudia. »Ich sehe ja ein, daß wir das Haus wahrscheinlich nicht werden halten können, aber das müssen wir doch nicht unbedingt heute entscheiden. Gib uns was Schriftliches, die Zahlen zum Beispiel. Laß uns weiterreden, wenn wir uns die Sache in Ruhe überlegt haben.«
»Und wenn uns das Angebot vorher durch die Lappen geht?« fragte Gerard.
»Aber ich bitte dich, Gerard, das ist doch wirklich mehr als unwahrscheinlich. Wenn Hector Skolling das Haus unbedingt haben will, dann zieht er sein Angebot nicht zurück, bloß weil er eine Woche länger warten muß. Aber gut, sag ihm vorläufig zu, wenn du dich dann besser fühlst. Wir können das Haus immer noch vom Markt nehmen, sollten wir es uns anders überlegen.«
»Ich möchte gern noch auf Esme Carlings neuen Roman zu sprechen kommen«, sagte James de Witt. »Bei der letzten Sitzung hast du angedeutet, daß du ihn eventuell ablehnen willst.«
»Tod auf Paradise Island? Den hab’ ich schon abgelehnt. Ich dachte, das war abgemacht.«
Ruhig und bedächtig, als spräche er zu einem aufsässigen Kind, sagte de Witt: »Nein, das war nicht abgemacht. Wir hatten nur kurz darüber diskutiert und die Entscheidung dann vertagt.«
»Wie in so vielen Fällen. Ihr vier erinnert mich an diese alte Definition einer Konferenz: eine Versammlung von Leuten, die die Bereitschaft zu handeln oder Entscheidungen zu treffen durch Freude am Small talk ersetzen. So in dem Sinne. Ich habe gestern mit Esmes Agentin gesprochen und ihr Bescheid gegeben. Die schriftliche Bestätigung mit einer Kopie für die Carling ist auch schon raus. Ich darf doch annehmen, daß keiner von euch ernsthaft behaupten wird, Esme Carling sei eine gute oder auch nur eine lukrative Schriftstellerin. Ich persönlich ziehe Autoren vor, die wenigstens eine dieser Bedingungen erfüllen, am liebsten natürlich alle beide.«
»Wir haben schon schlechtere im Programm gehabt«, sagte de Witt.
Etienne fuhr gereizt auf. »Gott allein weiß, wieso ausgerechnet du sie verteidigst, James«, spottete er. »Du bist doch
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