Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
enttäuschend ausfiel und er sich beschwerte, dann hätte sie sich an ihn gelehnt, ihren Arm durch den seinen geschoben und schmeichelnd, um ihn aufzuheitern, gesagt: »Es war doch durchaus genießbar, wirklich nicht schlecht. Außerdem, was macht das schon, Darling? Die Hauptsache ist doch, daß wir zusammen sind.« Lucinda dagegen hatte ihm nie das Kompliment gemacht, daß seine Gesellschaft ein schlecht zubereitetes, schlampig serviertes Dinner wettmachen oder entschuldigen könne. Manchmal fragte er sich, ob er bei ihr im Ernstfall den Test bestehen würde.
12
Etienne sagte: »Das ist eine Privatkonferenz, Miss Blackett. Wir haben vertrauliche Angelegenheiten zu regeln, und darum werde ich selbst das Protokoll führen. Sie sind ja ohnehin reichlich mit Schreibarbeiten eingedeckt.«
Es klang abweisend, und in seiner Stimme schwang eine Spur Verachtung mit. Miss Blackett wurde rot und sog lautlos die Luft ein. Der Block glitt ihr aus den Händen, und sie bückte sich steif danach, ehe sie aufstand und, kläglich um Haltung ringend, zur Tür ging.
»War das nötig?« fragte James de Witt. »Blackie hat die Gesellschafterkonferenz seit über zwanzig Jahren protokolliert. Sie war bei jeder Sitzung dabei.«
»Eine doppelte Zeitverschwendung.«
Frances Peverell sagte: »Du hättest es aber nicht so hinzustellen brauchen, als würden wir ihr nicht vertrauen.«
»Das hab’ ich doch gar nicht gesagt. Aber wenn wir uns mit den jüngsten Schadensfällen hier beschäftigen, dann gehört auch sie zu den Verdächtigen. Ich sehe nicht ein, warum wir bei ihr eine Ausnahme machen sollten. Sie hat für keinen der Vorfälle ein Alibi. Und es mangelt ihr weiß Gott nicht an Gelegenheit.«
»Das«, sagte Gabriel Dauntsey, »trifft auf mich, ja auf uns alle fünf genauso zu. Außerdem haben wir doch wirklich schon lange genug über diesen Witzbold geredet, oder? Es kommt sowieso nichts dabei heraus.«
»Mag sein. Jedenfalls können wir das erst mal zurückstellen. Der wichtigste Punkt zuerst. Hector Skolling hat sein Gebot auf Innocent House noch einmal um 300.000 Pfund erhöht. Macht viereinhalb Millionen. Aber er hat auch zum erstenmal in unseren Verhandlungen den Begriff ›letztes Angebot‹ gebraucht, und wenn er das sagt, dann ist es ihm ernst damit. Sein Gebot liegt rund eine Million über dem Preis, mit dem ich glaubte, mich zufriedengeben zu müssen. Er bietet mehr als den Verkehrswert, aber der Wert von Grundbesitz beziffert sich nun einmal nach dem, was einer zu zahlen bereit ist, und Hector Skolling hat sich in das Haus verguckt. Sein Imperium, das darf man nicht vergessen, liegt in den Docklands. Aber natürlich besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen den Wohngebieten, die er zu Vermietungszwecken erschließt, und der Kategorie von Haus, in der er selber wohnen möchte. Ich schlage vor, wir akzeptieren heute mündlich und beauftragen die Anwälte mit der Tüftelei am Kleingedruckten, so daß wir binnen eines Monats die Verträge austauschen können.«
»Ich war der Meinung«, sagte James de Witt, »wir hätten darüber schon auf der letzten Sitzung diskutiert, allerdings ohne zu einer Einigung zu kommen. Ich glaube, wenn du im Protokoll nachliest…«
»Hab’ ich gar nicht nötig. Ich leite doch dieses Unternehmen nicht auf der Basis dessen, was Miss Blackett ins Protokoll aufzunehmen beliebt.«
»Das du übrigens noch nicht unterzeichnet hast.«
»Genau. Ich schlage vor, daß wir dieses monatliche Meeting in Zukunft nach einer weniger offiziellen Tagesordnung abhalten. Ihr sagt doch immer, wir seien ein Team aus Freunden und Kollegen, und ich würde mich zu sehr auf Verfahrensfragen und überflüssige Bürokratie versteifen. Also, warum räumen wir nicht auf mit all diesen Formalitäten wie Tagesordnung, Protokoll und Resolutionen, wenn’s um die monatliche Gesellschafterkonferenz geht?«
»Dieses System hat sich aber bewährt«, sagte de Witt. »Und was mich angeht, so glaube ich nicht, daß ich jemals eine Wendung wie ›Freunde und Kollegen‹ benutzt habe.«
Frances Peverell hatte bisher kerzengerade und kreidebleich im Gesicht dabeigesessen. Jetzt sagte sie: »Du kannst Innocent House nicht verkaufen.«
Etienne sah sie nicht an, sondern hielt den Blick auf seine Papiere gesenkt. »Ich kann, respektive wir können. Und wir müssen verkaufen, wenn das Unternehmen weiterbestehen soll. Einen leistungsfähigen Verlag kann man nicht von einem venezianischen Palazzo an der Themse aus
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