Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Begehren?“
Der Mund des Hageren verzog sich zu einem Lächeln, welches seinen Besitzer keineswegs sympathischer wirken ließ. Vielmehr erinnerte sein Gesichtsausdruck an den eines Fuchses, der sich gerade an ein fettes Hühnchen heranschleicht.
„Gott sei mit Euch, edle Frau Adelheid. Ich bin Wetzel von Mülhusen und das ist Godhart, der Sohn meines verstorbenen Bruders und derzeit mein Knappe.“ Er verbeugte sich noch einmal, ohne den Blick von der jungen Frau zu wenden. In seinen Augen blitzte es triumphierend auf, als Adelheid zusammenzuckte.
Daher kannte sie diese kalten Augen! Er war Godharts Bruder und der Jüngere dessen Sohn. Doch der schien aus anderem Holz geschnitzt als der Vater, fast gelangweilt stand er hinter seinem Oheim und schaute dümmlich unter seiner dunkelbraunen Lockenpracht hervor.
„Ich sehe, Ihr erinnert Euch an meinen Bruder. Er ist eines sehr qualvollen Todes gestorben. Ich nehme an …“
„Was wollt Ihr? Schleicht nicht wie eine Katze um den heißen Brei!“ Adelheid hatte sich wieder in der Gewalt.
„Gemach, hohe Frau, hört mich doch an! Mir kam zu Ohren, Ihr sucht einen Ehemann. Die Herolde verkündeten, Ihr habt einen Eid geleistet! Nun – ich möchte mein Glück wagen!“ Wieder lächelte er auf diese unangenehme Weise und entblößte dabei eine Reihe langer Zähne.
Adelheid glaubte für einen Moment, der Boden unter ihren Füßen würde nachgeben. Sie schloss die Augen und wartete auf das Ende des Schwächeanfalls. Fieberhaft arbeiteten ihre Gedanken. An ihren Schwur hatte sie seit dem harten Winter nicht mehr gedacht, denn sie wurde von anderen Sorgen in Trab gehalten. Außerdem hatte sich lange Zeit niemand gefunden, einen Versuch zu wagen. Der Graf von Kirchberg war im vergangenen Frühjahr kopfschüttelnd wieder davongeritten, nachdem er die Mauern genauestens inspiziert hatte. Ein stattlicher Ritter aus Sangerhusen gab schließlich im Herbst nach der Hälfte des Rittes auf, weil sein Pferd immer heftiger scheute. Inzwischen hatte sie nicht mehr damit gerechnet, dass sich überhaupt noch ein Freier einfinden würde. Doch jetzt musste sie erst einmal Zeit gewinnen. Sie breitete die Arme aus und heftete ihren Blick auf die Hakennase.
„Ich werde Euch Quartier anweisen lassen und alle nötigen Vorkehrungen treffen. Betrachtet Euch als meine Gäste!“ Sie klatschte in die Hände. Eine Magd eilte aus der Küche herbei und nahm sich der Männer an.
Oben in der Kemenate war niemand außer Alwina, die am Feuer saß und vor sich hin döste. Seitdem sie fast nicht mehr laufen und wegen ihrer schlechten Augen nicht mehr an der Spindel sitzen konnte, waren ihre geistigen Fähigkeiten rapide verfallen. Adelheid bedachte sie mit einem traurigen Blick, bevor sie den Vorhang zur Krankenkammer hob. Magdalena erneuerte Folkmars Armverband, der Verletzte hatte seine Augen fest geschlossen. Adelheid reichte ihr den Topf mit der wundheilenden Paste und berichtete in knappen Worten von den beiden Mülhusern, die unten im Saal bewirtet wurden.
„Sieht er aus wie ein guter Reiter?“ Magdalena dachte direkt und praktisch. „Vielleicht erledigt sich das Problem von selbst. Ihr habt gesagt, es wäre nicht einfach, die Probe zu bestehen.“
„Ich weiß nicht. Er wirkte sehr zäh, so als würde ihm ein Sturz von der Mauer nicht viel ausmachen.“
„Das ist gleich, selbst wenn er überlebt, gestürzt ist gestürzt. Probe nicht bestanden!“ Vorsichtig legte die Zofe einen sauberen Linnenlappen auf die Wunde an Folkmars Unterarm, die ein herausspießender Knochen verursacht hatte. Der Patient stöhnte leise.
Adelheid beugte sich über ihn und legte ihm ihre Hand auf die Stirn. Sie war warm, aber gottlob nicht heiß. Er bewegte mühsam die Lippen.
„Ihr dürft nicht sprechen!“ Adelheids Stimme war leise, aber bestimmt. „Es strengt Euch zu sehr an. Aber sorgt Euch nicht, Ihr seid auf Burg Lare in guten Händen. Bald werdet ihr wieder in der Sonne spazieren gehen.“
Magdalenas skeptischen Blicken entnahm sie, dass sie dem Patienten nicht zu viel versprechen sollte. Sie zog sich den Hocker an das Bett und hielt seine Hand. Er blieb unruhig, sein Verstand schien sich hartnäckig durch den Nebel der Ohnmacht zu kämpfen. Endlich fühlte sie auch eine deutliche Bewegung und sie betrachtete die gesunde rechte Hand, die in der ihren lag. Sie war schmal und feingliedrig, lediglich die breiten Fingernägel verrieten die Männerhand. Adelheid fühlte keine Hornhaut, anscheinend hatte
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