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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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bemerkt. Gerade als Wetzel ihren Lieblingsplatz auf der Mauer passiert hatte, war der Hengst fast stehen geblieben. Das hatte ihr für kurze Zeit die Befürchtung genommen, der Mann könne den Ritt tatsächlich schaffen. Doch schritt das Tier wieder tapferer aus, es hatte anscheinend volles Vertrauen zu seinem Herrn und wäre mit ihm auch in die Hölle geritten. Leichenblass und mit starrer Miene faltete sie die Hände so fest, dass ihre Knöchel weiß wie ihr Gesicht wurden. Sie hatte sich inzwischen von Süden nach Norden gedreht, ohne den Reiter einen Moment aus den Augen zu lassen. Adelheid und ihre Zofe konnten als einzige unter den Zuschauern die gesamte Mauerkrone ohne Unterbrechung einsehen. Unauffällig sah die Herrin jetzt zu Magdalena hinüber und hielt erstaunt den Atem an. Die junge Frau stand mit wirrem Kraushaar einen halben Schritt hinter ihr und murmelte mit fest geschlossenen Augen unablässig Worte, die nur auf ihren Lippen zu sehen, aber nicht zu hören waren. Dabei hatte sie die Arme fest um ihren Körper geschlungen und vollführte diese wiegenden Bewegungen, die Adelheid bestens bekannt waren und die ihr unangenehme Schauer über den Rücken jagten. Nur sehr widerwillig konnte sie den Blick von ihr lösen, um Wetzel weiter zu beobachten.
    Die Mauer verlief nach dem nächsten weich gerundeten Knick in Richtung Osten. Erneut musste eine kleine Aussichtsplattform umrundet werden. Linker Hand hatte sich der Bergrücken wieder in Wetzels Gesichtsfeld geschoben. Obwohl das beruhigender aussah als das vorherige Nichts, wusste er genau, dass ein Sturz in den Graben noch immer tödlich ausgehen konnte. Er schätzte, gut die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht zu haben. Beinahe hätte er vor Freude laut aufgelacht, doch er hatte sich im Griff. Er durfte den Hengst nicht noch einmal irritieren. Wenn Godhart das nur sehen könnte! Endlich hätte er sich vor ihm beweisen können. Noch dazu würde er die Frau aufs Lager kriegen, die sein Bruder so begehrenswert fand. Er grinste süffisant. Sie war aber auch ein verdammt schönes Weib! Und die Burg gab es als willkommene Dreingabe …
    Unsanft wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Schon wieder tauchte so ein schmales Stück Mauer vor ihm auf! Was hatten die verdammten Steinhauer bloß in ihren Köpfen gehabt? Dafür hätte er sie auspeitschen lassen! Doch wie … Vor ihm verschwamm der Steinpfad und verschnörkelte sich wie das bizarre Muster einer Wandfreske. Er stieß einen ächzenden Laut aus und ließ die Zügel fallen. Der Hengst blieb verwirrt stehen. Wetzel rieb sich die Augen und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    Das Gesinde, welches von der Vorburg aus diesen Teil der Mauer einsehen konnte, gab einen einstimmigen Aufschrei von sich. Schneller als ein Armbrustpfeil gelangte die Nachricht bis an den östlichen Torbogen, wo das schaulustige Volk aus den umliegenden Dörfern wartete. „Er ist stehen geblieben!“ – „Jetzt schwankt er auf dem Pferd, als wäre er trunken!“
    Wetzel, dem plötzlich der Angstschweiß auf die Stirn trat, fühlte sich tatsächlich, als hätte er mehrere Krüge Moselwein in einem Zug geleert. Er konnte den steinernen Pfad jetzt zwar wieder sehen, aber dieser verlief noch immer sehr ungewöhnlich. Es war undenkbar, dass die Burgenbauer hier ohne ersichtlichen Grund solche engen Kurven in die Mauer hatten setzen lassen. Doch egal, er musste vorwärtskommen. Er schnalzte mit der Zunge und hob die Zügel. Der Hengst ging brav los, wollte aber seltsamerweise schnurgeradeaus. Sah er denn die scharfe Kehre nicht? Ärgerlich zerrte Wetzel den Zügel nach links, weg von dem vermeintlichen Mauerrand. Das Pferd hatte mit solch einem harten Richtungswechsel nicht gerechnet, weil er tatsächlich nicht nötig war. Obwohl das Tier immer sehr folgsam gewesen war, hinderte es sein natürlicher Instinkt, den offensichtlichen Weg ins Verderben zu gehen, auch wenn sein Reiter das anscheinend wollte. Derart in Bedrängnis entschied sich der Schimmel zunächst für den Weg nach oben, er stieg. Das hatte Wetzel überhaupt nicht erwartet, er verlor die Zügel, wollte danach greifen und noch während er seine Hand ausstreckte, spaltete sich plötzlich sein Gesichtsfeld in zwei identische Teile und er sah vor sich zwei Pferdeköpfe mit grauer, wallender Mähne und vier vor blauem Himmel rudernde Hufe. Panisch fuchtelte er in der Luft herum, unschlüssig, wo er die Zügel suchen sollte.

    Im nächsten Moment registrierte er mit

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