Adelshochzeit 2
sein sollte, wusste er genau. Nur musste er Emily noch dazu bringen, seinen Vorschlag zu akzeptieren …
Vielleicht war es ja hilfreich, herauszufinden, was Emily in der Whiting Street zu tun hatte und warum sie von Riley beobachtet wurde.
„Emily!“ Erfreut sprang Helen Hunter auf und begrüßte ihre Besucherin. „Himmel! Du bist früh dran! Aber schön, dich zu sehen. Komm, setzt dich doch.“ Sie umarmte die Freundin und führte sie zu einem Sessel.
Emily ließ sich in den zierlichen Fauteuil sinken. „Ich weiß, es ist eine wenig fashionable Stunde. Aber ich muss dich dringend etwas fragen.“
Helen schob das Modejournal, in dem sie gelesen hatte, beiseite und setzte sich ebenfalls. „Du machst mich neugierig, Emily. Sag, um was geht es?“
„Gestern traf ich deinen Schwager, und er äußerte etwas …“ Unsicher biss Emily sich auf die Lippe, dann überwand sie sich. „Etwas, wozu du vielleicht etwas sagen kannst.“
Mit schiefem Lächeln lehnte Helen sich zurück. Dass und warum Mark für Emily ein rotes Tuch war, wusste sie, hatte jedoch von ihrem Gatten gehört, dass Marks Gründe, seinen Freund Tarquin ins Gefängnis zu bringen, eher Selbstlosigkeit als Bosheit entsprungen waren. „Hat Mark dich verärgert?“ Was sie bezweifelte, denn ihrer Ansicht nach gab ihr Schwager sich alle Mühe, Emily gefällig zu sein, und sie vermutete sogar, dass er sie sehr gern mochte und ihre Abneigung als kränkend empfand.
„Nein, das nicht. Nur erzählte Mark mir etwas über Tarquin … nun, ja – ich drang darauf, dass er es mir sagt.“ Schmunzelnd meinte Helen: „Willst du nicht lieber von vorn anfangen?“ Mit einem Seufzer legte Emily Hut und Handschuhe ab und rückte sich in ihrem Sessel zurecht.
„Ich werde Tee bestellen“, sagte Helen. „Eine Erfrischung kann nie schaden – besonders, wenn wir über wichtige Dinge reden wollen.“ Sie läutete und erteilte dem sogleich eintretenden Butler den entsprechenden Auftrag.
Die beiden Damen waren eng befreundet und hatten sich stets gegenseitig ihre Geheimnisse anvertraut, und so gab Helen auch dieses Mal auf Emilys Frage bedenkenlos zu, dass sie Tarquin zuletzt gesehen hatte, wie er am Covent Garden in einer finsteren Gasse ein offensichtlich käufliches Frauenzimmer leidenschaftlich umarmte. Verwundert hörte sie dann, dass er seither anscheinend spurlos verschwunden war.
Inzwischen war der Tee serviert worden, und ein paar Minuten nippten sie schweigend an ihren Tassen. Schließlich bat Emily: „Sag mir ehrlich, glaubst du, dass man ihn geprellt hat … dass diese … dieses gemeine Pack ihn ausgeraubt hat? Vielleicht bewusstlos geschlagen? Mag sein, nicht einmal absichtlich … aber dass ihm etwas Schreckliches zugestoßen ist? Ach, wo ist der elende Bursche nur?“
Betroffen sprang Helen auf und schloss Emily tröstend in die Arme. „Ruhig, Liebes, das glaube ich nicht. Wenn jeder Gentleman, der sich mit einer Covent-Garden-Schönen einlässt, gleich überfallen und beiseite geschafft würde, wäre London bald aller Junggesellen beraubt.“
Trotz ihrer Sorge musste Emily kichern. „Meinst du, er ist nur auf einer seiner Sauftouren?“
„Wenn, dann wird er, auch ohne eins aufs Haupt bekommen zu haben, bald mit dickem Kopf wieder auftauchen.“ Sie ergriff Emilys Hand. „Sag, soll ich Jason bitten, nach ihm zu suchen?“
„Danke, aber Mark bot es mir ja schon an. Ich möchte nicht auch noch Sir Jason damit belasten.“ Jäh erhellte sich ihre Miene. „Ob wohl aus diesem Grund der Bursche mit der Boxernase mir den Brief sandte? Um mir zu sagen, dass Tarquin krank ist und nicht in der Lage, heimzukommen? Vielleicht geht es gar nicht um Spielschulden – doch der wird bestimmt trotzdem etwas für seine Mühe verlangen …“
Als Helen verwirrt lachte, unterbrach sie sich. „Ach, das weißt du ja nicht“, rief sie und erklärte sofort, was es mit dem Brief und dem Fremden, der so ungehobelt wirkte, auf sich hatte, und was ihr am Tag zuvor alles widerfahren war.
„Und dass ich Devlin traf, war sehr ärgerlich, und außerdem betrug er sich für einen verheirateten Mann ziemlich ungehörig. Er machte mir Avancen. Und als ich ihm in ein Haus entwischte, stieß ich auf deinen Schwager.“ Einen Augenblick überkam sie wieder die gleiche erregende Empfindung wie gestern, als sie Mark Hunter in dem dämmrigen Gang so nahe gewesen war, doch sie zwang sich zu Sachlichkeit. „Während er mich heimbegleitete, erzählte er mir, wo ihr Tarquin
Weitere Kostenlose Bücher