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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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oder es sind Edelsteine in den Satin eingenäht, sie sind also sehr wertvoll, weshalb ich nicht ohne sie fortgehen kann.«
    Am liebsten hätte ich mich irgendwo hingesetzt und still einigen Branntwein getrunken, doch es blieb mir nichts anderes übrig, als zu tun, worum sie mich gebeten hatte. Weshalb man mich nun dabei beobachten konnte, wie ich – auf der vergeblichen Suche nach den Schuhen der Herzogin von Portsmouth – auf Händen und Knien über Teppiche kroch, die schweren Säume von Vorhängen hob, mir den Hals verdrehte, um unter Kommoden und Schränke und Chaiselongues zu spähen.
    Und ich dachte bei mir, dass Pearce sich gewiss darüber lustig gemacht und mich »Lakai einer Dirne« genannt hätte,doch das scherte mich nur wenig, denn ich wusste tief in meinem Herzen, dass meine gesamte Welt im Begriff war, sich zu verändern; und wie ich die Zeit zwischen dem Jetzt und dem Anbrechen jener schrecklichen Ära des Übergangs ausfüllen würde, erschien mir gleichgültig.
    Ich fand einen Schuh. Er war ein Objekt vollendeter Schönheit, gefertigt aus blauem Satin, mit hohem Absatz, tailliert und elegant. Der Satin war mit silbernem Kreuzstich bestickt, und auf dem Spann des Schuhs saß eine Blume aus Silberband mit einem Nest aus winzigen Perlen in der Mitte.
    Ich hielt ihn in der Hand und wischte ein wenig Staub weg. Er war sehr zierlich, und ich fragte mich staunend, wie klein die Füße der Herzogin wohl sein mussten, um hineinzupassen. Dann dachte ich an den Schuhmacher dieses Schuhs, der sich bemüht hatte, etwas Makelloses herzustellen, und schon wanderten meine Gedanken zu meinem holländischen Freund Jan Hollers, der wiederum bei seinen Uhren Vollkommenheit angestrebt und diese nur um ein Kleines verfehlt hatte.
    Gram erfüllte mein Herz. Gram über Hollers, Gram über den Schuhmacher und eine Art sentimentaler Gram über den Schuh, der so achtlos abgestreift worden war.
    Sehr laut klang mir mein eigenes Versprechen in den Ohren, das ich dem König in seiner Karosse gegeben hatte, und ich wusste, dass ich nicht nichts tun durfte. Ich war jedoch einigermaßen ratlos, was ich denn tun könnte.
    Ich wusste, ich sollte mich mit meinem Anliegen an die Königin wenden. Doch angesichts meiner allseits bekannten Verbindung – über Margaret – mit der Mätresse des Königs war es ein Ding der Unmöglichkeit, dass ich mich, in der Hoffnung auf Einlass, zu den Gemächern der Königin begab. Es gab nur noch eine weitere Person, die dem König zu einer heimlichen Konversion verhelfen konnte, die er sich so wünschte, und das war der Herzog von York.
    Der Herzog schätzte mich wenig. Er hatte mir einmal erklärt, ich würde die Neigung des Königs zu »Faulheit und Müßiggang« befördern und damit das Wohl der Nation aufs Spiel setzen. Doch ich fürchtete, es blieb nur noch wenig Zeit, und ich wusste auch nicht, was ich anderes hätte tun sollen, als mit dem Herzog zu sprechen und die Angelegenheit in seine Hände zu geben.
    Nachdem ich mit Fubbs und Margaret ein kleines Mittagsmahl eingenommen und andere Frauen herbeigerufen hatte, die der Herzogin beim Packen helfen würden, nahm ich Urlaub von meiner Aufgabe der Schuhsuche und kehrte zurück in die königlichen Gemächer, wo ich York zu finden und für einen Moment sein Interesse zu gewinnen hoffte.
    Die Flure von Whitehall, in denen die Menschen sich auch sonst drängten, waren voller denn je. Doch mir schien, dass Angst und Sorge um den König, der im Sterben lag, die Fähigkeit dieser armen Seelen, sich aufrecht zu halten , eingeschränkt hatten. Jeder, an dem ich vorbeikam, lehnte entweder an der Wand oder saß zusammengesunken auf einer der Steinbänke oder bewegte sich nur mit unendlicher Langsamkeit. Woraus ich schloss, dass ihnen allen ihr Ziel abhandengekommen war, welches darin bestand, den König zu sehen und eine Gunst oder eine Beförderung von ihm zu erbeten (was sie gemeinhin mit lebhaftem Eifer betrieben); und jetzt wussten sie nicht, was sie taten oder wohin sie wollten, weil sie kein rechtes Ziel mehr hatten, mochten aber auch nicht wieder gehen.
    Ich versuchte, mich nicht von dieser schwärenden Langsamkeit anstecken zu lassen, sondern eilte weiter und blieb erst stehen, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte und Pater John Huddleston sah, der mir entgegenkam, ein alter, treuer Freund des Königs, der ihm einst bei der großen Flucht aus Worcester im Jahre 1651 geholfen hatte und dafür mit einem Posten im katholischen Haushalt der

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