Adieu, Sir Merivel
eine sichere Hand behalten, die Finger bereit für das »Ticken« der Vene.
Und dann hatte ich sie. Ich drückte ein wenig fester, gerade genug, dass ich sie sehen konnte, ohne den Patienten zu ersticken, und bemüht darum, ihm nicht unnötig wehzutun. Ich rief nach einer Schale, die neben meine Hand gestellt wurde, und durchstach die Vene mit dem Skalpell. Helles Blut schoss aus dem winzigen Einschnitt, lief mir über die Hand und in meinen Ärmel. Währenddessen schrie der König laut und begann erneut zu würgen. Zwei andere Ärzte eilten an meine Seite.
»Nur wenige Unzen«, sagte der eine. »Nehmt nicht zu viel ab. Seht, wie schnell es fließt. Haltet es auf! Es muss jetzt aufgehalten werden!«
Ein Musselinbausch wurde mir gereicht, und diesen musste ich nun sehr fest auf die Vene drücken, um den Fluss zu unterbinden. Das Gefäß wurde fortgenommen. Ich wendete mich wieder an den König und sagte: »Es ist erledigt. Es ist vorbei. Das krampfende Blut ist heraus.«
Ich blieb an seiner Seite. Ich wischte ihm erneut den Mund ab, tröpfelte Wasser auf seine geschwollene Zunge und sah, dass er es hinunterschluckte. Am anderen Ende des Bettes wurde die Enema-Pumpe mit ihrem Schlauch endlich entfernt, nachdem der Vorgang des Spülens und Entleerens abgeschlossen war. Und es fiel nicht schwer sich vorzustellen, dass der arme Körper Seiner Majestät nun all seiner Leben spendenden Säfte beraubt worden war. Ich fuhr also fort, ihm Wasser zu geben, und er schluckte es wie ein hilfloses Baby, das an der Brust seiner Mutter saugt. Nach einer Weilesah ich, wie sich seine Augen schlossen und Schlaf sich seiner erbarmte.
Von diesen Geschehnissen erzählte ich Margaret und Fubbs nichts. Ich selbst wäre angesichts der furchtbaren Quälerei beinahe ohnmächtig geworden. Und zu meinem großen Kummer fand ich, als ich in Fubbsys Gemächer zurückkehrte, dort alles in Unordnung und höchster Aufregung.
Die Herzogin hatte anscheinend beschlossen, dass der König nicht überleben würde. Und aus Angst, sich bald verlassen zu sehen, hatte sie begonnen, ihre Kleider und ihren Schmuck und all die kleinen Dinge von Wert, die ihr gehörten, zusammenzusuchen und in vier große Truhen zu packen. Margaret half ihr, eilte hin und her, versteckte Ketten und Armbänder in kleinen goldenen Vasen und Kästchen, wickelte Pelze in Leintücher, ordnete Strümpfe zu Paaren.
»Wohin werdet Ihr die Truhen schicken, Euer Gnaden?«, fragte ich.
»Wohin?«, kreischte sie. »Um Himmels willen, Sir Robert, wohin glaubt Ihr wohl? In die französische Botschaft natürlich, wo kein Mitglied der königlichen Familie sie mir entreißen kann! Denn ich sehe sehr wohl voraus, wie es sein wird: Kaum dass Seine Majestät unter der Erde liegt, werden die Geier kommen und mir erklären, ich sei eine gewöhnliche französische Hure, und mich auf die Straße werfen.«
»Ich bin sicher, das werden sie nicht«, sagte ich. »Jeder weiß doch, wie viel Trost und Annehmlichkeit Ihr dem König schenktet …«
»Ach ja? Und weiß die Königin das auch?«
»Die Königin hat dem König immer seine Mätressen verziehen.«
»Solange er atmete, ja. Es blieb ihr keine Wahl. Aber wenn er keinen Atem mehr hat? Dann wird sie Rache nehmen, an uns allen und unseren Kindern. Unser Verderben wird ihr ein Vergnügen sein.«
»Es könnte wahr sein, Papa«, sagte Margaret. »Die Herzogin tut gut daran, ihre Wertsachen in Sicherheit zu bringen. Wirst du uns helfen? Es ist sehr viel zu packen.«
Ich blickte mich auf dem Fußboden um, auf dem alles Mögliche durcheinanderlag, von Kämmen bis zu Kaffeekannen, von Kerzenhaltern bis zu chinesischen Lackvasen, von goldenem Besteck bis zu schön gestalteten Kartenspielen. Wie viel von alledem tatsächlich Fubbsy gehörte und was vielleicht nur eine Leihgabe war, wie etwa ein Teil der Möbel in ihren prächtigen Gemächern, wusste ich nicht zu sagen.
»Was soll ich denn tun?«, fragte ich kraftlos. »Welche Aufgabe möchtet Ihr mir anvertrauen?«
»Schuhe!«, sagte die Herzogin. »Ich habe versucht, sie zu Paaren zusammenzustellen, aber es fehlen viele, die irgendwo hier versteckt sein müssen, unter Betten oder Stühlen oder ich weiß nicht wo sonst?«
»Schuhe!«
»Ja. Daran könnt Ihr sehen, wie liederlich die Dienstboten arbeiten, die mit Fegen und Staubwischen beauftragt sind, aber das ist eine andere Geschichte. Bitte, wenn Ihr so gut sein wollt, sucht nach den fehlenden Schuhen, Sir Robert. Viele haben diamantene Schnallen,
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