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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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darin, als ob Mäuse oder Ratten hier gestorben wären. Auf dem Boden war das Fell von Clarendon ausgebreitet. Seine Glasaugen starrten blind in das trübe Halbdunkel. Und ich wusste, dass jener Gestank von ihm kam (meinem armen Clarendon, der unfachmännisch behandelt und gegerbt worden war).
    Dann hörte ich – von unten aus der Küche – das unverkennbare Geräusch von Lachen. Ich machte einige Schritte vorwärts und horchte. Weitere Wellen der Heiterkeit stiegen auf und brachen sich am kalten, stummen Strand der Halle. Erneut rief ich Wills Namen laut und verzweifelt. In meinem Kopf pochte es. Mein Knöchel schickte einen stechenden Schmerz in meinen Schenkel.
    Niemand erschien. Wer immer das Haus bewohnte, war taub für meine Stimme und existierte nur in Form von Gelächter. Derart ungehört und ausgeschlossen, blieb mir nichts anderes übrig, als nach unten zu humpeln.
    Ich öffnete die Küchentür und erblickte eine höchst verdrießliche Szene.
    Mehr als zwanzig Personen, Männer und Frauen, in schmutzigen, zerlumpten Kleidern, waren dort versammelt, lagen oder saßen auf dem Fußboden, den Stühlen und dem Tisch, alle in sehr fortgeschrittenem Zustand der Betrunkenheit.
    Auf dem Tisch stand eine Ansammlung von Weinflaschen – auf den ersten Blick nicht weniger als dreißig oder vierzig –, die aus meinem Keller stammten. Und nun, da sie alle geleert worden waren, erging die Gesellschaft sich in einer schamlosen und hässlichen Ausschweifung, und es kümmerte sienicht, was sie vor den Augen der anderen taten. So betrieben zwei in einer Ecke kauernde Männer Sodomie, und einige Frauen hatten ihre Brüste aus dem Mieder geschoben, und die Männer saugten, als Vorspiel zur kopulierenden Unzucht, an den Brustwarzen und versuchten gleichzeitig, ihre Hosen auszuziehen. Ein Junge, kaum älter als zwölf, lachte wie verrückt und pisste einen gewaltigen Strahl neben den Herd, auf dem ein Kessel mit Kaninchenbraten blubberte und überlief.
    Benommen und ungläubig ließ ich meine Augen durch den Raum wandern. Zuerst schenkte mir niemand Beachtung. Dann klopfte ich, wie ein närrischer Schulmeister oder alter Büttel, mit meinem Gehstock auf den Steinfußboden, und ein paar Köpfe drehten sich in meine Richtung. Nach und nach erkannte ich mit großer Bestürzung einige dieser zerlumpten Gestalten als meine Mägde und Lakaien, die mir und auch dem König einst in adretter Dienstkleidung so viele Jahre gedient und hart gearbeitet hatten – bessere Dienstboten hätte ich mir gar nicht vorstellen können; und jetzt waren sie zu dieser selbst ersonnenen schamlosen Zügellosigkeit herabgesunken.
    Ich sagte nichts, sondern starrte sie nur an, und sie starrten zurück, und allmählich wurde es still in der Küche. Einige der Frauen setzten sich auf und schoben ihre nackten Brüste wieder in die Kleider und stießen die Männer fort. Dann erhob sich, am Ende des Tisches, Cattlebury, scharlachfarben vom Wein und gewaltiger im Umfang denn je, in seinen breiten Pranken die Unterhose des Frauenzimmers, das neben ihm hockte und, noch betrunkener als die meisten, ihn immer noch an seinem dicken Bauch begrabschte. Ich wartete, bis Cattleburys Augen so weit geradeaus blicken konnten, dass er mich erkannte.
    »Sir Robert«, sagte er endlich. »Wir dachten nicht, dass wir Euch jemals wiedersähen.«
    »Ach«, sagte ich. »Ihr dachtet nicht, dass Ihr mich jemals wiedersäht? Wie das?«
    »Wir dachten, Ihr wärt nicht mehr da. Ihr wärt tot, dachten wir.«
    »Nun, ich bedaure, dich enttäuschen zu müssen, Cattlebury, aber hier bin ich. Und nun erklär mir bitte, was diese hässliche Szene bedeutet.«
    Er schwanke vor und zurück. Schweiß lief ihm über die Wangen. Die Frau kicherte und stupste ihn in den Arm. »Seine großmächtige Lordschaft fragt, was das hier bedeutet , Mr. Cattlebury. Was die lausige BEDEUTUNG von dieser feinen Versammlung ist!«
    Cattlebury wischte sich das Gesicht mit der Unterhose und versuchte, sich zu fangen und in seiner ganzen Länge aufzurichten, damit er mich von oben herab anschauen konnte.
    »Die Bedeutung, Sir Robert«, stammelte er schließlich, »dieselbe Bedeutung wie damals, als Ihr und … Ihr und Lady Bathurst und all die fidelen Gecken und Wüstlinge aus London es genauso trieben, ein ums andere Mal und wieder und immer wieder, und wir … wir plagten uns, um Euer stinkendes Chaos hinter Euch wegzuräumen! Was könnte es denn sonst für eine Bedeutung geben?«
    Daraufhin brach erneut wildes

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