Adieu, Sir Merivel
und das Wenige, was mir gehörte, obwohl ich kaum gehen konnte und der Schmerz in meinem Kopf unerträglich war, und begleitete Margaret zu Lord Delavignes Haus.
Als Lady Delavigne den Verband um meinen Kopf sah und bemerkte, dass ich einen Gehstock benötigte, um einen Fuß vor den anderen zu setzen, lud sie mich sehr liebenswürdig ein, so lange im Delavigne-Haus zu bleiben, »bis Eure Heilung etwas weiter fortgeschritten ist«. Doch inzwischen konnte ich es kaum erwarten, nach Bidnold zu gelangen, deshalb sagte ich, nachdem ich ihr ausführlich gedankt hatte: »Es gibt nur eines, was mich genesen lassen wird, Milady, und das ist die liebevolle Fürsorge meines Dieners Will Gates. Ich werde mich in seine Hände begeben.«
Also sagte ich Margaret noch auf der Treppe des Delavigne-Hauses Lebewohl, und wie sie da in dem stattlichen Eingangsportal mit seinem mächtigen Wappen stand, kam sie mir plötzlich sehr klein vor. Am liebsten wäre ich zurückgeeilt und hätte sie an mich gedrückt, doch da erschien Julius in der Tür und legte ihr seinen Arm um die Schultern. Die beiden lächelten und hoben zum Abschied die Hände. Und ich vertraute alles Julius Royston an und entfernte mich.
Fast immer hatte mein Herz gehüpft, wenn ich wieder einmal auf meinem geliebten Bidnold ankam. Doch als meine gemietete Kutsche dieses Mal in die Auffahrt einbog und ich meinen Park erblickte, war, was ich sah, nicht der Park, den ich in Erinnerung hatte, sondern eine mir fremde Landschaft.
Das Gras war lang und durchwuchert von Unkraut, tote Blätter lagen unter den Bäumen, und alle schmiedeeisernen Bänke waren verschwunden. Und auf den vernachlässigten Wiesen, wo einst das hübsche Rotwild umherstreifte, suhlten sich jetzt Schweine im Schlamm, und eine Herde räudiger Schafe trottete lahm durch das Gras. Von den Rehen war nichts zu sehen. Und die stets sehr akkurat mit Kies bestreute Auffahrt war jetzt aufgewühlt von Bauernkarren, und ein scheußliches Moos von braungelber Farbe hatte sich dort ausgebreitet.
Als dann das Haus in Sicht kam, musste ich feststellen, dass der Verfall hier noch größer war.
Ein Drittel der Westwand war unter wucherndem Efeu verschwunden. Ich sah zerbrochene Scheiben und leere Fensterhöhlen, auf dem Dach fehlten Schindeln. In meinemInnenhof, der einst hübsch ordentlich mit Buchs und Stechpalmen bepflanzt war, stand jetzt irgendein verdorrtes Unkraut mit einer armseligen Schar schütterer Schierlingstannen dazwischen.
Mit großen Schmerzen im Knöchel stieg ich aus der Kutsche und blickte mich entgeistert um. Als ich Haus und Grundstück zuletzt gesehen hatte, war alles sauber, akkurat beschnitten und tadellos in Ordnung gewesen. Jetzt sah beides so verändert und schmutzig aus, dass ich Mühe hatte, es wiederzuerkennen. Selbst die Luft, einst frisch und lieblich, erinnerte mich, mit ihrem Gestank nach Schweinestall, an einen Bauernhof. Ich kam mir vor wie ein armer Bauer, der allein und ohne Hoffnung auf eine Verbesserung seines Lebens zu seinem kleinen Stück Land und dem wenigen Vieh zurückkehrt.
Es war ein bitterkalter Tag. Mein Kutscher hielt die Pferde und wartete auf seinen Lohn. Die Eingangstür des Hauses blieb geschlossen. Während ich nach meinem Geldbeutel suchte, sagte ich zum Kutscher: »Es scheint, ich bin zur falschen Zeit gekommen …«
Ich zählte ihm die Münzen für die Fahrt vor, und dann sah ich ihm – ganz ähnlich wie damals in Versailles – mit so großer Besorgnis bei seinem Aufbruch zu, als wäre ich einer Gefahr ausgesetzt, kaum dass die Kutsche mich zurückgelassen hatte.
Endlich drehte ich mich um und humpelte mit meinem Stock zur Tür. Ich begann, nach Will zu rufen, um ihm mitzuteilen, ich sei jetzt endlich nach Hause gekommen, und während ich ihn rief, musste ich an jene andere Heimkehr im Jahre 1667 denken. Damals, nach meiner sehr langen Abwesenheit, hatte ich geglaubt, das Haus gehöre nicht mehr mir, und war dennoch gerührt gewesen von seinem Anblick, ich hatte einen Freudenschrei ausgestoßen, und als ich dann Will und Cattlebury zur Begrüßung im Eingang stehen sah, hatte ich geheult wie ein Baby.
Ich trat ins Haus und stand in der Eingangshalle, die dunkel war, in der keine Kerzen brannten und kein Feuer im Kamin entzündet war. Auch hier wirkte die Luft anders. Gewöhnlich roch es nach Bienenwachs und Holzrauch, und dieser behagliche Geruch hatte stets meine Seele gewärmt. Jetzt fühlte sich die Luft feucht an, und irgendetwas Unangenehmes lag
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