Adieu, Sir Merivel
wissen doch, wie schwierig es ist«, warf Louise ein, »das Interesse des Königs zu erlangen, und Versailles ist zurzeit so überfüllt. Und ich hatte den Eindruck, dass es wichtig für Sir Robert ist, sich nach Paris zu begeben, um seine Kleidung an das Niveau des französischen Hofs … nun ja … anzupassen . Seine besten Röcke werden gerade von Monsieur Durand geändert.«
Die Giraffe reckte ihren Hals noch höher und starrte über die lange Nase auf mich herab, krauste sie dabei leicht, als könnte ich vielleicht ein Fleckchen Vegetation sein, das sie abzugrasen gedachte.
»Und wie sieht Euer Plan aus?«, fragte er. »Wenn Eure Röcke geändert worden sind?«
»Nun«, erwiderte ich (und erneut kam mir das Bild des Zimmers in den Sinn, das ich mit Hollers teilte), »ich werde selbstverständlich nach Versailles zurückkehren. Ich setze großes Vertrauen in meinen Brief.«
De Flamanville sah mich noch einen Moment lang an, schnaubte dann und erhob sich.
»Ich spiele morgens Billard«, sagte er. »Möchtet Ihr Euch mir anschließen?«
Ich blickte zu Louise hinüber, die, auf höchst unauffällige Weise, zustimmend nickte, weshalb ich mich gehorsam von meinem Stuhl erhob. Dennoch muss ich gestehen, dass die Vorstellung eines Billardspiels mit Oberst de Flamanville mich unerträglich langweilte. Meine Knochen schmerzten mich allein bei dem Gedanken daran. Ich hatte mich noch nie besonders hervorgetan in diesem Spiel, bei dem man vor allem eine möglichst ruhige Hand (und einen möglichst leeren Kopf) haben muss, um endlose Stunden lang Bälle aus Elfenbein durch hölzerne Tore auf einem mit Teppich bezogenen Tisch zu stoßen. Mir war es schon immer wie das Gegenteil eines »Zeitvertreibs« erschienen: als eine törichte Beschäftigung, bei der die Zeit in einem derart unerträglichen Maße gedehnt wird, dass man daran verzweifelt, ob sie sich jemals »vertreiben« lässt.
Doch da bin ich nun in dem Raum, den Oberst de Flamanville seine Bibliothek nennt, der aber nicht sehr viele Bücher zu enthalten scheint. Ich sinniere darüber, ob man, wenn man Oberst der Schweizer Garden und gleichzeitig Mitglied der berüchtigten Fraternité ist, womöglich keine Muße zum Lesen hat.
Das Markanteste im Raum ist der gigantische Billardtisch, der mit einem sehr edlen Gobelinteppich bezogen ist; ich werde sofort aufgefordert, mir meine »Waffe« aus einem Haufen scheinbar identischer Waffen zu wählen, mit denen man die Bälle umherstößt.
Ich habe den korrekten Namen für diese Gegenstände vergessen. König Charles nennt sie spaßeshalber »Löffel«, weil sie an ihrem dickeren Ende leicht geschwungen sind; vermutlich könnte man mit ihnen durchaus eine Brühe essen, wenn sonst kein Besteck zur Hand ist. Ich suche mir einen aus und begutachte die feine Verarbeitung. (Ich gewinne allmählich den Eindruck, dass die meisten Dinge in Frankreich sorgfältiger gestaltet sind als in England.)
Billardbälle können aus Blei oder aus Elfenbein bestehen, und diese sind selbstverständlich aus Elfenbein und sehr edel gearbeitet. Oberst de Flamanville hält gern einen Ersatzball in der Hand, während er zusieht, wie ich mein beklagenswertes Spiel beginne. Er hat auch die Angewohnheit, nach einem schwachen Schlag seines Gegners verächtlich zu schnauben und zu schniefen. Ich stelle mir vor, wie der Schleim in seiner Giraffennase in einem verwirrenden Zustand ständigen Auf und Abs ist.
Das Spiel entwickelt sich unaufhaltsam zu seinen Gunsten, und das, obwohl er nicht nur schnauft, sondern sich auch unablässig mit mir unterhält, mir Fragen stellt nach meiner Arbeit für König Charles, meiner Position in Whitehall, der Größe meiner Ländereien in Bidnold, in Hektar gemessen, und nach vielerlei anderen Dingen (wie etwa meinem Familienstand, der in einem katholischen Land als äußerst zweifelhaft gilt, weshalb ich zu lügen gezwungen bin, so wie ich Louise anlog), über die ich mich nur höchst ungern auslasse, weshalb ich sie, so gut ich kann, umschiffe.
Als nach einer Weile einer meiner launischen Bälle gegen ein Tor knallt und bedauerlicherweise nicht hindurchrollt, sagt er plötzlich: »Ich werde morgen nach Versailles zurückkehren. Ich schlage vor, dass Ihr mich begleitet. Von Zeit zu Zeit leiht der König mir sein Ohr, und ich werde alles daransetzen, dass er Euch eine Audienz erteilt.«
Angst erfüllt mein Herz. »Oberst de Flamanville«, sage ich, »das ist überaus freundlich von Euch. Ich fürchte nur, dass meine
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