Adieu, Sir Merivel
verwandelst.«
Doch jetzt würde ich dem gern etwas entgegenhalten. Ich möchte sagen: »Wenn du mir meine Tochter nimmst, wenn du sie behandelst wie meine unglückliche Gemahlin Celia, dann kann ich nicht länger dein Narr sein; dann werde ich dein Feind sein.«
Diese Worte gehen mir immerzu im Kopf herum, wollen mir aber nicht über die Lippen, und ich sage mir, dass ich, bei aller tiefen Besorgnis in dieser Hinsicht, im Augenblick nichts tun kann, außer mich gedulden und warten, was die Zeit bringt.
Mir kommt das Bild in den Sinn, wie der König Margaret vor dem Gehege an sich drückt und ihr über das Haar streicht, doch ich schiebe es rasch weg und befehle mir, da nichts hineinzulesen, nichts als die Liebenswürdigkeit des Königs und seine Bereitschaft, nach Augenblicken der Gefahr für uns alle und nachdem er beinahe seinen kostbaren Hund verloren hatte, Margaret zu trösten. Ich darf nicht Verfehlungen sehen, wo keine sind.
In diesem heiklen Moment erscheint Will mit dem Kümmelkuchen und entschuldigt sich dafür, dass es keine Kirschen gibt, »weil Cattlebury sie nicht hinaufschicken kann«.
»Wieso kann er sie nicht hinaufschicken, Will?«, frage ich.
»Wie bitte, Sir?«
»Du hast mich sehr genau verstanden. Warum kann Cattlebury nicht die Kirschen hinaufschicken?«
»Nun, Sir Robert, ich kann es nicht richtig ausdrücken …«
»Vielleicht kann ich es ja ›richtig ausdrücken‹: Er kann sie nicht hinaufschicken, weil er sie gegessen hat?«
»Nun, Sir, ja, das hat er wohl. Aber er hat sie nur deshalb alle gegessen, weil er eine kleine Schwierigkeit mit seiner Verdauung hatte, Sir, und Kirschen lösen den Stuhl, wie Ihr uns erklärtet, aber er hat es nicht böse gemeint.«
Daraufhin bricht der König in ein großes Gelächter aus. »Oh«, sagt er, »das erheitert mich wahrhaftig! Er hat es nicht böse gemeint! Es herrscht Anarchie in der Küche, Merivel, aber augenscheinlich ist sie recht harmlos!«
»Sie ist nicht harmlos«, sage ich ganz plötzlich mit entschiedenem Ernst. »Bitte erklär Cattlebury, dass meine Geduld am Ende ist, Will. Noch eine Verfehlung dieser Art, und –«
»Und was, Sir?«
»Das Ende der Straße ist erreicht. Er wird hinausgeworfen.«
Schweigen breitet sich aus. Der König und Will blicken mich überrascht an. Dann kommen Worte aus meinem Mund, die eigentlich ein anderer hören sollte, die ich nun aber über Will an meinen ungehorsamen Koch richte.
»Erinnere Cattlebury daran«, sage ich, »dass ich ein gutmütiger Mann bin. Loyalität denen gegenüber, für die ich verantwortlich bin und die von mir abhängig sind, habe ich seit jeher als eine Herzensangelegenheit betrachtet. Aber erinnere ihn auch daran, dass meine Loyalität nicht über die Maßen beansprucht werden darf! Bitte mach ihm das sehr deutlich. Man kann mich bis aufs Blut reizen – so wie damals, als ich sah, wie der Gutsherr Sands seine Shire-Stute so lange prügelte, bis sie starb. Und wie Sands sich schließlich selbst vor den Pflug spannen musste, um seine jämmerlichen Felder zu bestellen. Und habe ich auch nur ein Jota Mitleid mit ihm empfunden? Nein. Mein Zorn hatte alles Mitgefühl weggewischt. Und so wird es wieder sein, Will! So wird es Cattlebury ergehen, wenn er mich zu sehr reizt.«
Unter der Last dieser unerwarteten Worte sinkt Will zu Boden, und seine kahle Perücke rutscht ihm schief ins Gesicht. Der König hilft ihm auf die Füße. Auch ich erhebe mich, aber nicht, um Will zu helfen, sondern um mir ein Stück Kümmelkuchen vom Teller zu nehmen und es mir in den Mund zu stopfen, damit ich nicht in Tränen ausbreche.
17
Ich durfte mein Versprechen, Violet Bathurst das Krebsgeschwür herauszuschneiden, nicht zu lange aufschieben.
Obgleich ich vor der Aufgabe zurückscheute, begriff ich, dass ich mich bald dazu entschließen sollte, damit das Ding sich nicht ausbreitete. Denn die Vorstellung, Violet würde einsam in ihrem dunklen Zimmer sterben, war allzu traurig. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Tod von Menschen, die ein unbezähmbares Vergnügen an ihrem tagtäglichen Dasein fanden – in einer Welt, in der viele ihr Leben halbtot in einem körperlichen und geistigen Dämmerzustand verbringen –, ganz besonders zu beklagen ist.
Die Krankenschwester, auf deren Hilfe ich bei der Operation hoffte, war eine gewisse Mrs. McKinley, eine muntere, freundliche Irin, deren katholische Familie nach der protestantischen Besiedlung Irlands im Jahre 1641 nach England geflohen war.
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