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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ich, der ich so grausam meinen Vater verlor, nur zu gut weiß. Und alles, was wir tun können, ist, es ertragen. Aber hier … hier ist der freundliche Sir Robert Merivel, der dich mit einem Schilling oder zweienversorgen wird, und heute Abend kannst du dich mit deiner Familie satt essen.«
    Hände griffen nach mir – nicht nur die schmutzige Hand des zum Bettler gewordenen Fischers –, und in weniger als einer Minute hatte ich mich, notgedrungen, von sämtlichem Geld getrennt, das ich besaß, denn in einer Menge kann man nicht dem einen geben und sich um die Übrigen nicht kümmern. Das Betteln um Münzen endete erst, als ich das Innere meiner Börse nach außen kehrte, um zu zeigen, dass ich keinen einzigen Penny mehr zum Verschenken besaß. Niemand dankte mir. Und als wir uns endlich abwenden und in Mr. Dunns Geschäft treten konnten, schien der König noch nicht begriffen zu haben, dass ich nun keine Mittel mehr besaß, um das nötige Opium für Violets Behandlung zu kaufen. Alles, was er sagte, war: »Ich bin nicht gern dem Anblick von Armut und Mangel ausgesetzt.«
    Von der Decke in Mr. Dunns Laden hängt eine Vielzahl seltsamer ausgestopfter Kreaturen: ein Krokodil, eine Schildkröte, ein Aal und ein Krötenpaar.
    Wenn man eintritt, möchte man, wegen des Gestanks dieser Exponate, die dort schon seit beträchtlicher Zeit hängen, am liebsten schnell wieder umkehren und hinausmarschieren. Ich sah auch, wie sich die Nasenlöcher des Königs weiteten, er zog aus seinem Ärmel ein Taschentuch, das mit Lavendelwasser parfümiert war, und hielt es sich eine Weile vor die Nase.
    Die wissenschaftliche Neugier jedoch, die ihn auch veranlasst hatte, sich ein eigenes Laboratorium in Whitehall einzurichten und der Gesellschaft zur Verbesserung der Naturkunde durch das Experiment eine königliche Charta zu verleihen, ließ ihn jegliche körperliche Unannehmlichkeiten vergessen. Er begann seinen bedachtsamen Rundgang durch Dunns dunkles Reich, vermerkte, was die Gläser und Tiegel und Kalebassen enthielten, und steckte sein Taschentuchweg, um an ihnen zu schnuppern. Dann drehte er sich plötzlich zu dem Apotheker um und fragte: »Wo hat er sein Wissen erworben, Dunn? Auf ordentliche Weise?«
    Dunn rückte seine Perücke zurecht und stammelte, er sei als Knabe von sechzehn Jahren bei einem Apotheker in die Lehre gegangen und habe, weil er »ebenso neugierig wie waghalsig« gewesen sei, sehr viele Arten von Arzneien an sich selbst ausprobiert, »um zu sehen, was sie bei mir bewirken würden …«
    »Wie interessant«, sagte der König. »Neugier und Waghalsigkeit sind gewiss beides gute Eigenschaften eines Mannes. Das habe ich häufig gedacht.«
    »Nun, Eure Majestät«, sagte Dunn und stammelte jetzt nicht mehr, »auf diese Weise kann ich, wenn Ärzte etwas verschreiben, gelegentlich eine Korrektur vornehmen, weil ich alles, was ich probiert habe, in ein Heft notierte, mitsamt den jeweiligen Mengen und den aufgetretenen Symptomen sowie dem speziellen Hinweis auf falsche Heilmethoden.«
    »Falsche Heilmethoden?«
    »Sir Robert kennt die Menge von Scharlatanen in diesem Land!«, erwiderte Dunn. »Sie verkaufen alles, Sire, nennen es, zum Beispiel, ›ein wunderbares wirksames Brechmittel‹ und verlangen dafür, ganz gleich, was es ist, anderthalb Schilling. Es könnte Rattengift sein. Es könnte einen fast umbringen. Aber manche Ärzte wissen kaum, welche Arznei gegen was hilft, und da kann das Wissen des Apothekers womöglich ein Korrektiv gegen falsche Heilmethoden sein.«
    Der König nickte beifällig. »Nullius in Verba« , sagte er ruhig. »Das ist das Motto, das ich der Königlichen Gesellschaft gab. Verlass dich auf niemandes Wort. Alles sollte durch ordentliches Experimentieren begründet werden. Und Er, Mr. Dunn, scheint dieses Diktum auf bewunderungswürdige Weise befolgt zu haben, indem Er die Arzneien selbst prüft, obgleich ich wetten möchte, dass es Ihn an den Rand des Todes brachte!«
    »Das ist richtig, Sire. Mehr als einmal. Aber hier stehe ich, lebendig. Und was mir an meinem Beruf gefällt, ist, dass das medizinische Wissen kein Ende hat. Sir Robert hat mich viele Dinge gelehrt, die ich vorher nicht wusste.«
    Der König blickte mit leichtem Erstaunen zu mir. »Ach? Wirklich?«
    »Viele Dinge.«
    »Wirklich? Wir kennen ihn vor allem als Spaßvogel. Als Spaßvogel und Freund. Würde Er denn behaupten, Dunn, Sir Robert sei ein guter Arzt?«
    »Ein sehr guter, Eure Majestät.«
    »Ach, wie interessant.

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