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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Einst gelang ihm tatsächlich die wunderbare Heilung eines meiner Lieblingshunde, war es nicht so, Merivel? Ich glaube aber, es war eher eine Heilung durch Unterlassung, nicht wahr?«
    »Nun, ich würde vorziehen, es eine Heilung durch die Natur zu nennen, Eure Majestät. Wie der große Fabricius sagte: ›Non dimenticare la Natura.‹ Ich habe der Natur nur Zeit zum Wirken gelassen.«
    »Und unterdessen hast du guten Sherry getrunken und Feigen gegessen und schöne Damen …«
    »Nur, um mir die Zeit zu vertreiben.«
    »Ha! Da sieht Er, Dunn, warum Wir diesen Mann lieben. Weil er Uns immer wieder zum Lachen bringt. Doch nun zu unserem Geschäft. Wir brauchen einen beträchtlichen Vorrat an Opium, und beide haben wir keinerlei Geld mehr, denn wir verschenkten es an armes Fischervolk und dergleichen. Wird Er den Kredit des Königs akzeptieren?«
    Ich wollte Violet den Krebs gern bei hellem Tageslicht herausschneiden, damit ich auch genau sah, was ich tat.
    Ich ritt nach Bathurst Hall und sagte Violet, ich würde am nächsten Morgen kommen und sie möge ihr Bett näher ans Fenster rücken lassen.
    »Mrs. McKinley wird mich begleiten«, sagte ich, »und ichhabe mich mit einer großen Menge Opium versorgt, damit du keinerlei Schmerzen spürst.«
    An diesem Tag saß Violet mit einer Handarbeit still in ihrem Salon . Sie bei derlei Beschäftigung anzutreffen, betrübte mich ungemein, denn ich hatte Violet Bathurst noch nie bei einem so monotonen und konventionellen Zeitvertreib gesehen.
    »Violet«, sagte ich, »es tut mir in der Seele weh, dass du so etwas machst. Ich bitte dich, keine Stickerei mehr, wenn dein Tumor beseitigt ist!«
    Sie hob den Kopf, blickte mich traurig an und hielt mir die Handarbeit hin, die – anders als Celias – sehr unbeholfen wirkte, überall hingen lose Fäden und Schlingen herunter. »Merivel«, sagte sie, »zeig doch etwas Mitgefühl. Siehst du nicht, was für eine Anfängerin ich bin? Ich muss aber sticken lernen, falls das alles ist, was ich nach der Operation noch tun kann. Kannst du dir etwa vorstellen, dass eine Frau mit einer halben Brust sich am Kegeln beteiligt?«
    »Ja«, antwortete ich entschieden. »Wenn die kurze Zeit der Rekonvaleszenz vorüber ist. Doch! Ich werde eine Kegelpartie auf Bidnold organisieren, und du wirst zusammen mit dem König antreten.«
    Violet schüttelte den Kopf. »Du träumst«, sagte sie. »Das wird nicht geschehen.«
    Ich stand früh auf und holte Mrs. McKinley in ihrem Haus im Dorf Bidnold ab, und mir entging nicht, wie ordentlich und sauber geschrubbt alles an ihr wirkte, von den rosigen Fingernägeln bis zu den blankgeputzten Stiefeln.
    Ich zeigte ihr das Opium, das ich von Dunn erhalten hatte, und sie sagte: »Lieber Himmel, Sir Rabbit, mit dieser Menge könntet Ihr eine ganze Armee in Schlaf versetzen!« Ich musste an die Schweizer Garden auf der Place des Armes in Versailles denken und stellte mir vor, wie sie alle stramm in Reih und Glied standen und dann, einer nachdem anderen, in einer Art Opium-Trance umfielen. Ich lächelte.
    »Ich möchte doch nur, dass Lady Bathurst nicht allzu sehr leidet«, sagte ich. »Aber ich warne dich, sie neigt sehr zum Schreien, das liegt in ihrer Natur, und du darfst dich nicht zu sehr davon ablenken lassen.«
    »Nein, nein, Sir. Ich werde mich nicht ablenken lassen. Alle meine Kinder waren Schreihälse. Ich hielt mir dann einfach die Ohren zu und sprach meine Gebete, und schon verwandelte sich alles in wunderbare Stille.«
    Wir erreichten Bathurst Hall und wurden sofort in das Zimmer und zu Violets Bett geführt, das jetzt vor dem Fenster stand. Sie sah sehr blass aus, und das harte Morgenlicht grub Falten in ihre Haut, die ich vorher noch nicht bemerkt hatte. Als ich mich über sie beugte, hob sie die Arme und zog mich an sich. »Merivel«, sagte sie, »ich habe Angst …«
    »Es wird schnell gehen, Violet«, sagte ich. »In weniger als fünf Minuten wird es vorüber sein. Wir werden dann bei dir bleiben, während du schläfst.«
    Ich hatte die Dienstboten tags zuvor angewiesen, ein Feuer im Zimmer zu entfachen und einen Kessel Wasser zu erhitzen, und genauso war es geschehen. Während ich einen Stuhl neben das Bett stellte und mein Skalpell zurechtlegte, rührte Mrs. McKinley Laudanum aus einer reichlichen Menge Opiumpulver und Branntwein an, und Violet trank die Mixtur. Ich sah, wie ihre Augen zu flattern begannen, als das Laudanum in ihr Blut drang.
    Dann schob Mrs. McKinley Violets Nachtgewand vorsichtig

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