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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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seiner Eltern zuzuschreiben, jenen unbekannten alten Leuten mit ihrem hinter heuchlerischem Puritanismus verschanzten Leben, die er nie hatte lieben können und die seine Fähigkeit, auf eine einfache, natürliche Art Liebe zu empfinden, für immer zerstört hatten.
    Black Dogs Bellen zerschnitt den Faden seiner Gedanken. Der Hund stand unten am abschüssigen Teil der Finca, der gleich neben dem Swimmingpool begann, und hörte gar nicht mehr auf zu bellen. Die beiden anderen Hunde am Haupttor stimmten in das Konzert ein. Den Blick fest auf die Einzäunung des Anwesens gerichtet, steckte er die Blechmarke in die Tasche seiner Bermudashorts und nahm die Maschinenpistole wieder in die Hand. »Komm her und hol dir deine Marke ab, du Wichser, ich mach dich fertig«, murmelte er und stieg den Abhang hinunter. Er pfiff Black Dog zurück, das Bellen hörte auf, und das Tier kam schwanzwedelnd, aber noch knurrend zu ihm.
    »Was ist los, Alter, hast du ihn gesehen?«, fragte er den Hund, während er sich das niedergetretene Gras zu beiden Seiten des Zauns ansah. »Ich weiß ja, du bist ein wachsamer Hund, ein ganz wilder … Aber ich glaub, jetzt ist niemand mehr da. Der Wichser hat sich aus dem Staub gemacht. Los, gehen wir zu Calixto.«
    Er ging zum Swimmingpool zurück und nahm den Pfad, der zwischen den Kasuarinen auf den Hauptweg der Finca führte. So sparte er sich den Umweg, den die Autos machen mussten. Hier unter den stolzen, edlen Bäumen fühlte er sich wohl. Und sicher. Sie waren wie alte, treue Freunde. Sie kannten sich seit 1941, seit dem Tag, als er und Martha zum ersten Mal auf die Finca gekommen waren und er beschlossen hatte, sie zu erwerben, überzeugt davon, dass Havanna ein geeigneter Ort war, um zu schreiben. Vigía war weit weg von der Stadt und doch nah genug, ein guter, ja der ideale Platz dafür. Und so war es tatsächlich. Deswegen hatte er sich so große Sorgen um das Schicksal der Kasuarinen gemacht, als er 1944 in der Normandie an Land gegangen und ein verheerender Hurrikan über Havanna hinweg gefegt war. Erst als er im Jahr darauf zurückgekehrt war und feststellen konnte, dass fast alle seine stummen Kameraden noch standen, hatte er aufgeatmet. Dieser Ort, der sich so gut zum Schreiben eignete, war auch ein guter Ort zum Sterben, wenn die Stunde kam. Aber ohne ihre Bäume war die Finca nichts wert.
    Er dachte wieder an den Tod, und das lenkte ihn von seinem Fund ab. Ihm fiel ein, dass er ja schon diese einzigartige Erfahrung gemacht hatte. Für den Rest der Welt war er gestorben, als das Flugzeug während seiner zweiten Afrika-Safari in der Nähe des Viktoriasees zerschellte. Wie die Figur in Molières Theaterstück hatte er damals die Gelegenheit gehabt, zu erfahren, was einige seiner Bekannten von ihm hielten. Es war alles andere als angenehm gewesen, die Artikel in all den Zeitungen zu lesen und festzustellen, dass viel mehr Menschen als angenommen ihn nicht mochten. Doch er hatte jene bösartigen Nachrufe als unvermeidlichen Ausdruck der uralten menschlichen Schwäche hingenommen, einem anderen den Erfolg nicht zu verzeihen. Letztlich aber hatte dieser vermeintliche Tod ihm ein Gefühl von Freiheit gegeben, das ihn bis zu seinem wirklichen Tod begleiten sollte. Die Frage aber, auf welche Art er dereinst sterben würde, war ihm nun eine Obsession geworden. Den Zeitpunkt, jung und heroisch zu sterben, hatte er verpasst. Und sein angeschlagener Körper begann ihm den Dienst zu versagen. Er hatte Mühe zu urinieren, sah schlecht und hörte noch schlechter. Er vergaß Dinge, die er sich für immer eingeprägt zu haben glaubte. Sein Blutdruck machte ihm zu schaffen. Er musste Diät halten und auf Alkohol fast völlig verzichten. Und seine alten Halsbeschwerden quälten ihn so unerbittlich wie nie … Letzten Endes würde der Tod ihn von all den Einschränkungen, Verboten und Schmerzen befreien. Aber etwas machte ihm zu schaffen: Eine Arbeit unerledigt liegen zu lassen, das war gegen seine Art. Deswegen musste er noch einmal einen Stierkampf sehen, um die Überarbeitung von Tod am Nachmittag beenden zu können. Und er wollte Inseln im Strom noch einmal durchsehen und die verdammte Geschichte von Der Garten Eden fertig schreiben, die unvollendet und diffus geblieben war. Dann war da noch der Plan, wieder einmal die Inselgruppen vor der kubanischen Nordküste zu befahren, bis hinauf nach Bimini, dann zurück zum Cayo Hueso, begleitet von seinen Saufkumpanen und vielen Flaschen Rum und Whisky. Und er

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