Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
Vom Netzwerk:
Papa!«
    »Und der Slip war schwarz?«
    »Woher weißt du das denn?«, fragte der Greis beinahe ärgerlich.
    »Ich bin eben Schriftsteller. Wir Schriftsteller wissen ’ne ganze Menge … Und, sah sie gut aus, Papas Kleine?«
    »Gut? Scheiße noch mal, gut ist gar kein Ausdruck! Ein Engel war sie, so wahr ich hier sitze … Eine Haut … Gott möge mir verzeihen, aber ich hab einen Riesenständer gekriegt. Die Spanierin, splitterfasernackt, mit dieser Samthaut und den beiden Quarktaschen, und dann die Muschi, leicht rötlich … Das war zu viel für mich … Als die beiden dann im Wasser anfingen rumzumachen, hab ich mich verdrückt. Das ist wieder ’ne andere Geschichte.«
    »Ja, eine ganz andere … Und die Señora?«
    »Miss Mary wusste wohl über Papas Eskapaden Bescheid. Einmal hat er sich ’ne kleine italienische Prinzessin auf die Finca geholt. Die hat ihn völlig verrückt gemacht. Hat nicht mehr geschrieben und ist auch nicht mehr mit dem Boot rausgefahren. Keine Hahnenkämpfe mehr, nichts. Den ganzen Tag ist er hinter ihr hergehechelt, wie ’n sabbernder Hund. Und zu uns wurde er immer ruppiger. Aber Miss Mary hat zu allem geschwiegen. Na ja, sie hat ja auch gelebt wie ’ne Königin.«
    El Conde zündete sich eine weitere Zigarette an und schloss die Augen. Er versuchte sich Ava Gardners Striptease vorzustellen und merkte, dass seine Knie weich wurden. Bald würde dieses wunderbare Bild für immer verblassen: Hemingway tot, Ava Gardner tot, und Toribio, der Geschorene, so gut wie. Und das schwarze Spitzenhöschen, war das unsterblich?
    »Ich muss gehen, Toribio. Aber sagen Sie mir vorher noch eins … Hemingway hat Löwen getötet und alles Mögliche, sogar Hähne. Hatte er auch das Zeug dazu, einen Menschen umzubringen?«
    Der Greis rutschte unruhig in seinem Schaukelstuhl hin und her, zwinkerte, versuchte wieder den Mann vor sich zu fixieren. »Hör mal zu, du bist vielleicht ein Schriftsteller, aber ’n Polizist bist du auch. Erzähl mir keinen Scheiß! Aber ich wills dir trotzdem sagen: Nein, ich glaube nicht. ’ne große Klappe hat er gehabt, das ja, rumgeprotzt hat er mit seinen Trophäen, ’n Großkotz war er, damit die Leute meinten, er wär ’n toller Hecht.«
    »Aber ’n Scheißkerl war er auch, stimmts?«
    »Das war er wirklich. Einer, der einem Kampfhahn den Kopf abreißt, einfach so, nur weil er wütend ist, der muss ’n verdammter Scheißkerl sein. Keine Frage.«
     
    Er schulterte die Thompson, bezwang die Steifheit seiner Glieder und hockte sich hin, um es aufzuheben. Er ahnte sogleich, was es war, richtete jedoch den Strahl der Taschenlampe auf das silbern glänzende Blech, an dem noch ein Fetzen Leder hing. Das Wappen, die Ziffern und die drei Buchstaben leuchteten. Wie ein durch den Geruch der Gefahr gewarntes Tier blickte er um sich. Er erinnerte sich an das, was Raul über die Nervosität von Black Dog gesagt hatte. War ein FBI-Agent hier gewesen? Wie sonst konnte die Blechmarke an diesen Ort gelangen, so nah beim Haus, so weit weg vom Eingang? Wurde er von diesen Arschlöchern überwacht? Seit dem Spanischen Bürgerkrieg und der Jagd auf Nazi-U-Boote stand er bei ihnen auf der schwarzen Liste, das wusste er. Und er wusste auch, dass Edgar Hoover während der Säuberungen der McCarthy-Ära versucht hatte, ihn vors Tribunal zu zerren. Irgendjemand musste das verhindert haben, denn es erschien den USA wohl ratsam, einen amerikanischen Helden wie ihn aus der Kommunistenjagd herauszuhalten. Auf jeden Fall aber war ihm diese Blechmarke auf seinem Grundstück eine Warnung. Wovor?
    Er hob den Blick und sah in der Ferne die Lichter Havannas, die bis zum Ozean reichten, einem dunklen Fleck ohne Horizont. Havanna war eine unermessliche, unergründliche Stadt, die tapfer mit dem Rücken zum Meer lebte. Von ihr kannte er lediglich ein paar wenige, vielleicht die am wenigsten authentischen Fassetten. Er wusste etwas über ihr Elend und ihren Luxus, viel über ihre Bars und ihre Hahnenkampfplätze, einiges über ihre Fischer und ihr Meer, weniges, nur das Offensichtliche, über ihren Schmerz und ihre Eitelkeit. Mehr nicht, trotz der vielen Jahre, die er in ihrer Nähe gelebt hatte. Es war immer dasselbe: Nie schaffte er es, die Zuneigung derer, die ihn wirklich liebten, zu schätzen und, noch weniger, zu erwidern. Seine alte, elende Schwäche, die nichts mit seinen Attitüden zu tun hatte und sich nicht auf bestimmte Personen beschränkte. Er pflegte es dem verschlossenen, barschen Wesen

Weitere Kostenlose Bücher