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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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Generäle und Schriftsteller ermorden lassen und jeden, der sich seinen Absichten widersetzte, nach Sibirien geschickt. Und angeblich, wie die Faschisten behaupteten, hatte er sich den Goldschatz Spaniens angeeignet und all das Geld, das Unzählige – wie er selbst – auf der ganzen Welt für die Spanische Republik gesammelt hatten. Aber einen unbedeutenden Übersetzer wie Robles ermorden lassen? Die Verschwörungstheorien jener Schriftsteller widerten ihn an, und deswegen hatte er lieber die Gesellschaft einfacher, echter Menschen gesucht: Fischer, Jäger, Toreros, Guerilleros, die wirklich wussten, was Mut und Tapferkeit war. Außerdem hielt ihn irgendetwas in seinem Innern davon ab, sich ernsthaft mit denen zu versöhnen, die einmal seine Freunde gewesen waren und später aufgehört hatten, es zu sein. Er hatte es wirklich versucht, aber weder sein Verstand noch sein Herz ließen es zu, und diese Unfähigkeit zur Versöhnung war wie eine Strafe für seine Selbstgefälligkeit und seinen machistischen Fundamentalismus in so vielen Dingen des Lebens.
    Wie dem auch sei, er duldete in seiner Nähe weder Schriftsteller noch Politiker. Und er weigerte sich immer konsequenter, über Literatur zu sprechen. Wenn ihn jemand nach seiner Arbeit fragte, antwortete er nur: »Sie geht voran«, oder höchstens: »Heute habe ich vierhundert Wörter geschrieben.« Alles andere war seiner Meinung nach sinnlos, denn er wusste, je mehr man beim Schreiben eigene Wege geht, umso einsamer wird man. Und am Ende begreift man, dass man diese Einsamkeit verteidigen muss. Reden über Literatur ist verlorene Zeit, und je einsamer man ist, desto besser. Denn die Zeit zum Arbeiten wird immer kürzer. Wer sie vergeudet, versündigt sich. Dafür gibt es keine Entschuldigung.
    Aus diesem Grund hatte er sich auch geweigert, nach Stockholm zu reisen, um an einer so veralteten, abgeschmackten Zeremonie wie der Verleihung des Nobelpreises teilzunehmen. Leider wurde dieser Preis verliehen, ohne dass man sich darum beworben hatte, und ihn nicht anzunehmen, konnte als geschmacklose Übertreibung gewertet werden. Doch genau das hätte er gerne getan, denn abgesehen von den höchst willkommenen sechsunddreißigtausend Dollar maß er einer solchen Auszeichnung, mit der sich Leute wie Sinclair Lewis und William Faulkner brüsten konnten, keine übermäßige Bedeutung bei. Wenn er abgelehnt hätte, hätte sein Nimbus als Rebell den Gipfelpunkt erreicht. Die einzige Befriedigung bestand darin, jene Autoren aufzuzählen, die den Preis nicht bekommen hatten: Wolfe, Dos Passos, Caldwell, der arme Scott, die lesbische Carson McCullers, die glaubte, ihre sexuelle Neigung durch das Tragen einer Baseballkappe demonstrieren zu müssen. Natürlich war es eine gewisse Genugtuung, dass man als Schriftsteller bestätigt wurde. Aber sich einen Frack zu kaufen und um die halbe Welt zu reisen, nur um eine Rede zu halten, nein, das ging zu weit, das konnte er sich nicht antun. Er schob gesundheitliche Probleme vor, die ihn seit den Flugzeugabstürzen in Afrika plagten, und als er den Scheck und die Goldmedaille mit dem Bildnis Nobels erhielt, bezahlte er seine Schulden, ließ Ezra Pound, der soeben aus der Irrenanstalt entlassen worden war, etwas Geld zukommen und übergab die Medaille einem kubanischen Journalisten, der sie in der Kapelle der Barmherzigen Jungfrau von Cobre niederlegte. Eine schöne, öffentlichkeitswirksame Geste, die sein Verhältnis zu den so lesewütigen und sentimentalen Kubanern und auch zum Jenseits mit einem Schlag verbesserte.
    »Ein gelungener Coup, was, Black Dog?«, erinnerte er sich.
    Der Hund wedelte mit dem Schwanz, sah aber nicht zu ihm auf. Er nahm seine Rolle als ausgezeichneter Wachhund sehr ernst. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf eine Schleiereule, die von den Höhen einer Königspalme herab ihre Schreie in die Nacht stieß. Den Kubanern galt sie als Unheil verkündender Vogel. Der Schriftsteller bedauerte, dass er zu spät gekommen war. Mit einer Garbe aus seiner Thompson hätte er sämtliche Vorzeichen, vor allem die unheilvollen, hinwegfegen und sich vielleicht sogar den Eindringling des FBI vom Hals schaffen können. Was hatten diese Arschlöcher hier überhaupt zu suchen?
    Noch auf dem von Bäumen überdachten Pfad konnte man die Musik hören. Auf seinen Nachtwachen hatte Calixto stets die beiden Hunde der Finca sowie ein Radio dabei. Hemingway verstand nicht, wie sich die Kubaner stundenlang die Zeit mit

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