Adiós Hemingway
im Schaukelstuhl bequem zurechtzurücken. »Und wie der sich auskannte … Bevor er aus Kuba fortgegangen ist, um sich das Leben zu nehmen, hat er zu mir gesagt: Wenn ich das Buch über den Stierkampf fertig hab, schreib ich eins über Hahnenkämpfe. Die Geschichten werden von unseren besten Hähnen handeln, und du wirst die Hauptrolle darin spielen.«
»Wär ein schönes Buch geworden.«
»Ein schönes Buch, mit Sicherheit«, pflichtete der Alte ihm bei.
»Hat er auch gewettet?«
»Und wie! Sein ganzes Leben war eine Wette. Pferderennen, Hahnenkämpfe, alles … Und Glück hatte er, das alte Schlitzohr! Hat fast immer gewonnen. Aber danach hat er sich voll laufen lassen und den ganzen Gewinn versoffen … oder verschenkt. Geld war ihm nicht wichtig, nur Hahnenkämpfe haben ihn interessiert. War ganz besessen von Hähnen, von ihrem Mut. Wenn einem Hahn mit zwei Sporentritten die Augen rausgerissen wurden und er blind weiterkämpfte, ohne seinen Gegner zu sehen, das hat ihn fasziniert. Da ist er fast verrückt geworden vor Aufregung.«
»Seltsamer Typ, was?«
»Scheißkerl, wie gesagt. Hatte den Teufel im Leib, wenn du mich fragst. Deswegen hat er auch so viel gesoffen … Um den Teufel auszutreiben.«
»Ganz sicher, ja. Und Sie haben auf der Finca gelebt?«
»Nein. Keiner von denen, die für ihn gearbeitet haben, hat auf der Finca gelebt. Nicht mal Raúl, der immer um ihn rum war, wie Papas Schatten. Außer Ruperto und mir waren alle aus der Gegend, aus San Francisco de Paula. Raúl hat ganz in der Nähe gewohnt, sozusagen gleich hinter der Finca.«
»Und nachts ist er alleine auf dem riesigen Grundstück geblieben?«
»Na ja, nicht ganz alleine, die Frau war ja bei ihm. Und fast immer waren Gäste da. Nur zum Schluss, als Papa alt wurde, da hat Miss Mary zu Calixto gesagt, er soll als Wache dableiben, am Haupttor oder bei den Garagen.«
»Als Wache? Ich dachte, Hemingway hat seinen Rundgang immer selbst gemacht, bevor er ins Bett ging.«
»Nur wenn er nicht zu viel getrunken hatte. Miss Mary konnte jedenfalls ruhiger schlafen, wenn ein Wachposten da war.«
El Conde hatte das Gefühl, dass irgendetwas an dem Bild nicht stimmte. Dieser Wachposten, den bisher niemand erwähnt hatte, machte alles komplizierter. Vielleicht ließ das Gedächtnis den Geschorenen im Stich. Er bohrte nach: »Und wer hat in den letzten Jahren die Wache übernommen?«
Toribios Augenlider schoben sich ein wenig höher. Der Greis versuchte sein Gegenüber zu fixieren. Eine übermenschliche Anstrengung.
»Bist du Polizist oder so was?«
»Nein, nein, ich bin kein Polizist. Ich bin Schriftsteller.«
»Scheiße, du siehst aus wie ’n dreckiger Bulle. Die hab ich nämlich so gerne wie ’n Tritt in den Arsch. Kann sie nicht ausstehen.«
»Ich auch nicht«, versicherte El Conde, was der Wahrheit sehr nahe kam und ihm deshalb keine große Mühe bereitete.
»Dein Glück! Weißt du, ich war drei Tage im Knast wegen einem Bullen, der mich beim illegalen Hahnenkampf erwischt hat. Der alte Wichser … Als wenns keine Polizeioffiziere gäbe, die nach wie vor Hähne gegeneinander kämpfen lassen. Aber sag mal, wonach hast du mich noch gleich gefragt?«
»Nach den Wachen auf der Finca Vigía. Wer hat die in den letzten Jahren übernommen?«
»Na ja, ganz zum Schluss, als sie weg waren und Papa sich dann umgebracht hat, da hats Iznaga übernommen, Rauls Cousin, ein Riese von einem Neger. Vorher hat Calixto immer seine Runden gemacht, der war sowieso für alles zuständig. Bis zu dem Tag, als er verschwunden ist.«
»Die Leute habens ziemlich lange auf der Finca ausgehalten, was?«
»Klar haben die ’s lange ausgehalten! Papa hat sie ja auch gut bezahlt, sehr gut sogar. Da wollte keiner weg. Wir haben mal nachgezählt, er hat bis zu dreißig Personen Arbeit und Brot gegeben.«
»Und warum ist Calixto gegangen?«
»Warum, weiß ich nicht. Wie, ja. Einmal haben die beiden sich abends im Turm unterhalten, er und Papa, stundenlang, im obersten Stockwerk. So als wollten sie, dass sie keiner hört. Und danach ist Calixto verschwunden. Ist sogar aus San Francisco fortgezogen. Irgendwas muss zwischen ihnen vorgefallen sein, was Ernstes. Schließlich kannten sie sich seit Jahr und Tag, schon aus der Zeit bevor Calixto einen umgebracht hat und dafür in den Bau gewandert ist.«
El Conde verspürte einen Schauder, wie er ihn seit seiner Zeit als Polizist nicht mehr verspürt hatte. Ob das stimmt: Einmal Polizist – immer Polizist?, fragte er
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