Admiral Bolithos Erbe
auf, ließen sich mit dem leblosen Treibgut von der Strömung davontragen in den Tod.
Bolitho wartete, bis noch einige halb betäubte und blutende Männer in das Seitenboot gezerrt waren, dann kletterte er selbst hinein und stellte sich neben Allday. Neale lag bewußtlos zu ihren Füßen.
Der junge Kilburne, den die letzten Augenblicke in einen Mann verwandelt hatten, rief: »Verhaltet euch ruhig, Leute! Riemen bei!«
Wie das andere Boot war auch ihres so überfüllt, daß es nur noch wenige Zoll Freibord aufwies. Jedes Fahrzeug hatte nur zwei Riemen, mit denen es jetzt den Steven den Wellen zuwandte, die noch vor kurzem ihre Verbündeten gewesen waren, aber plötzlich nur
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Ziel zu kennen schienen: die Boote zum Kentern zu bringen und die Schiffbrüchigen zu verschlingen.
»Da geht sie hin!«
Der Schrei kam aus vielen Kehlen. Vor Schreck erstarrt sahen die Männer, wi e
Sty
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sich auf die Seite rollte und dann langsam zu unterschneiden begann. Einige ältere Seeleute blickten stumm hinüber, zu erschüttert, um in den Aufschrei der Jüngeren einzustimmen. Wie alle Schiffe, war sie für ihre Stammbesatzung viel mehr gewesen als bloß irgendein Schiff:
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hatte ihnen ein Heim geboten, hatte Freunde und vertraute Gewohnheiten beherbergt. All das war für immer dahin.
Browne flüsterte: »Das vergesse ich nie. Und wenn ich hundert Jahre werde.«
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sank jetzt schneller, aber der Sund war an dieser Stelle so flach, daß sie auf Grund stieß und wieder an die Oberfläche federte – wie ein Ertrinkender, der um sein Leben kämpfte. Aus ihren Speigatten und Stückpforten schoß das Wasser, und mehrere Leichen, die sich in den gebrochenen Stagen verfangen hatten, hüpften auf und nieder, als winkten sie ihren überlebenden Kameraden zu.
Dann rollte sich die Fregatte ein letztesmal herum, sank unter die Wasseroberfläche und blieb verschwunden.
Mit dumpfer Stimme meldete Allday. »Ein Boot hält von der Küste auf uns zu, Sir.«
Und weil er Bolithos wilde Verzweiflung spürte, setzte er hinzu: »Wir sind nicht das erstemal in Gefangenschaft, Sir. Wir werden es auch diesmal überstehen, das schwöre ich Ihnen.«
Bolitho spähte nach
Phalarop
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aus. Aber auch sie war verschwunden. Es war vorbei.
Seeklar
Thomas Herrick stützte die Ellbogen auf die polierte Tischplatte in der großen Achterkajüte der
Benbo
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und überlas noch einmal seinen in wohlgesetzten Worten abgefaßten Bericht.
Eigentlich hätte er stolz sein können auf seinen Erfolg, denn sogar die zuversichtlichsten unter den Zimmerleuten und Schiffsausrüstern hatten ihm prophezeit, daß die Reparaturen an
Benbow
noch mindestens einen Monat in Anspruch nehmen würden. Morgen war nun der erste August, und die
B
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nbo
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war fertig – viel früher, als er in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte. So ungeduldig hatte er auf den Augenblick gewartet, in dem er die ersehnten Worte in den Bericht an Ihre Lordschaften schreiben konnte –
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etc.
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, und jetzt standen sie da, warteten nur noch auf seine Unterschrift. Dennoch empfand er keinerlei Frohlocken oder Begeisterung.
Das lag nicht etwa an schlechten Nachrichten; eher schon daran, daß überhaupt keine Nachrichten eingingen. Er hatte diese Unruhe zum erstenmal verspürt, als die von Schüssen durchlöcherte Fregatte
Unrivalled
,
ein Schiff aus Bolithos Biskaya-Geschwader, in Plymouth vor Anker gegangen war; alle Pumpen an Bord arbeiteten fieberhaft, um die Fregatte noch so lange über Wasser zu halten, bis Hilfe eintraf. Und selbst das hätte Herrick nicht stärker belasten sollen als andere ähnliche Vorkommnisse, an die man sich im Krieg gewöhnen mußte. Er hatte schon so viele Schiffe verlorengehen gesehen, auch vor der
U
nrivalle
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hatte er oft genug beobachten müssen, wie Tote und Verwundete an Land geschafft wurden. Warum war er gerade jetzt so aufgewühlt?
Es mußte daran liegen, daß er sich von dem Tag an, seit Bolitho seine Flagge auf
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setzte und auslief, Sorgen machte; denn seiner Ansicht nach segelte Bolitho in sehr dubioser Mission.
Als er dann
Phalarope
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Namen im Signalbuch entdeckte, zusammen mit der knappen Verlautbarung, daß sie Bolithos Oberkommando unterstellt wurde, hatten sich Herricks Ahnungen noch mehr verdüstert. Dulcie blieb im
Golde
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Lio
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und tat ihr Bestes, um ihn aufzuheitern. Trotzdem, sein häusliches Glück machte ihn eher schuldbewußt. Dulcie verstand nichts von der See und
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