Admiral Bolithos Erbe
aufgerissenen Augen starrte Browne ihn an. »Sie machen klar zum Gefecht, Sir!«
Der Lärm schwoll noch an, als die Besatzung die Trennwände und Hängematten abzuschlagen begann, als die Kanonen auf ihren Lafetten in eine Position rumpelten, in der sie besser geladen werden konnten.
Ungläubig starrten die Gefangenen im Orlop einander an.
Dann brach es aus Allday heraus: »Mein Gott, das muß ein Unsriger sein, Sir!«
Mit eingezogenen Köpfen rannten wieder schattenhafte Gestalten an ihnen vorbei. Laternen wurden angezündet und an die Decke gehängt, wo sie in großen Kreisen frei schwangen; weitere Kisten wurden herbeigezerrt und mitten auf dem Deck festgezurrt. Schwach schimmerten lange Schürzen im spärlichen Licht und eine funkelnde Batterie chirurgischer Instrumente, die Gehilfen des Schiffsarztes bereitlegten.
Niemand kümmerte sich um die drei Männer im Schatten oder um den vierten auf seiner schwankenden Koje.
Wieder zerrte Bolitho an seinen Fesseln. Also stand ihnen das Schlimmste noch bevor. Von einem englischen Kriegsschiff besiegt, zusammen mit dieser Fregatte auf den Meeresgrund zu fahren, das schien ihm der furchtbarste aller denkbaren Tode.
Das Deck richtete sich etwas auf, ein Arztgehilfe lachte leise, aber ohne Humor. Selbst er mußte wissen, daß das Schiff nur deshalb auf ebenerem Kiel lag, weil der Kommandant wieder mehr Segel hatte setzen lassen. Also hatte sein Versteckspiel nichts genützt. Dem Schiff stand eine Gefecht bevor, in dem die Sanitäter hier unten bald so viel zu tun bekommen würden, daß sie sich um die Gefangenen nicht mehr kümmern konnten.
Neale riß die Augen auf und rief mit überraschend klarer Stimme: »Wache! Holt den Schiffsprofos!« Aber niemand reagierte oder starrte Neale auch nur verwundert an.
Bolitho lehnte sich zurück und rüstete sich innerlich. »Allday!«
»Sir?«
»Mach dich bereit.«
Allday sah sich im schwach erleuchteten Krankenrevier um, konnte aber nirgends eine Waffe oder eine Axt entdecken. Trotzdem sagte er heiser: »Bin jederzeit bereit, Sir. Nur keine Sorge.«
Das Warten zerrte an den Nerven; ein Arztgehilfe rannte im Lichtkreis der Petroleumlampe auf und ab wie ein Tier im Käfig.
»Chargez toutes les piecesl«
Das war der Befehl zum Laden der Kanonen; als hätte er nur darauf gewartet, schritt der Arzt aus dem Krankenrevier hinüber zum Tisch unter den pendelnden Lampen.
Bolitho befeuchtete sich die trockenen Lippen und dachte sehnsüchtig an einen kühlen Trunk.
Wieder einmal hatten andere darüber entschieden, was ihm die nächsten Stunden bringen würden.
Der Preis der Freiheit
Herrick umklammerte die Querreling der
Benbo
w
und spähte scharf in den beißenden, vom Sturm waagrecht gepeitschten Regen. Trotz seiner Größe nahm das 74-Kanonen-Schiff vorn und an der Luvreling so viel Wasser über, als sei es schon auf der Fahrt zum Meeresgrund. Selbst Herrick mit seiner in harten Jahren erworbenen Erfahrung hatte mittlerweile jedes Zeitgefühl verloren; kaum daß er sich noch an die Befehle erinnern konnte, mit denen er das Wüten des Sturms überschrien hatte.
Wolfe stolperte über die nassen Decksplanken und fluchte laut, bis er endlich seinen Kommandanten an der Reling erreicht hatte.
»Jetzt muß es bald soweit sein, Sir!« Wolfes rauhe Stimme klang kläglich im Heulen des Sturms und Donnern der See.
Herrick wischte sich übers tropfnasse Gesicht. Seine Haut brannte wie Feuer. Außerdem spürte er allmählich einen Zorn in sich wachsen, der gut zu diesem Unwetter paßte. Von Anfang an, seit sie Plymouth verlassen hatten, war ein Unglück nach dem anderen über seinen kleinen, aber wertvollen Geleitzug hereingebrochen. Zuerst hatte das andere 74er Linienschiff, die
Nicator,
zwei Mann verloren; gleich am ersten Tag waren sie über Bord gegangen, und obwohl Herrick ihren Kommandanten, Kapitän Valentine Keen, mochte und respektierte, hatte er ihn doch verwünscht, als er mühsam versuchte, das Geleit trotz allem zusammenzuhalten: fünf Handelsschiffe, bewacht von zwei 74ern und einer einsamen Fregatte. Herrick fand sich verbittert damit ab, daß er bei Tagesanbruch wahrscheinlich nur zwei davon in Sichtweite haben würde. Der Sturm war aus Osten mit der Plötzlichkeit eines Hurrikans über sie hergefallen, hatte ihre beschränkte Welt in ein Inferno aus Gischt und Spritzwasser verwandelt und die Mannschaften so zermürbt, daß Herrick schließlich nachgeben und Befehl zum Beidrehen erteilen mußte; sie ließen sich
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