Adolescentia Aeterna - Die Entdeckung der Ewigen Jugend

ein paar Seiten überblättern?
    Und wenn sie dadurch andere Informationen verpasste?
    Sie holte sich aus der Küche ein Glas Wasser und eine Schüssel mit Knabbergebäck. Dann machte sie sich wieder auf den Weg zu ihrer Wohnzimmercouch, wo sie das Buch neuerlich zur Hand nahm.
    Weiter im Text:
    14. August 1675
    Die gestrige Vereinigung hat alles verändert. In meinem Gesicht sind bereits die ersten Mutationen zu erkennen. Ein Teil der in meinen 47 Lebensjahren angesammelten Falten sind verschwunden. Meine Haut scheint glatter. Ich werde die weiteren Veränderungen genauestens notieren.
    Es hat sich herausgestellt, dass sich seit dem Übergang meine Manneskraft verdoppelt zu haben scheint. Ich fürchte, dass ich der armen Frau gestern einen großen Schrecken eingejagt habe. Wir haben sie großzügig entlohnt, um uns ihres Schweigens zu versichern. Um Die Macht anwachsen zu lassen, werde ich mehr Frauen brauchen, mehr körperliche Liebe.
    Mehr Macht durch körperliche Liebe? Wie seltsam!
    Ich muss lernen, das Monster, das Die Macht in mir erweckt, im Zaum zu halten. Der Gedanke ängstigt mich, dass ich irgendwann die Kontrolle verlieren und eine Frau verletzen könnte. Sobald meine Leidenschaft erwacht, erhitzt sich mein Blut in einem Maß, das mich zu verbrennen droht. Mein Begehren lässt meinen Atem stocken und macht mich unersättlich, sodass es an Raserei grenzt. Ich will mehr, mehr. Ich sehne mich nach einer neuen Art von Erfüllung und stelle dabei das erste Mal meine Bedürfnisse über die der Frau. Sie ist nichts als Mittel zum Zweck. Dabei galt ich einst als zärtlicher Mann.
    Die Beschreibung Des Ältesten kam ihr bekannt vor. Heute Vormittag hatte sie etwas Ähnliches empfunden, als sie Julian geküsst hatte. Daran wollte sie jetzt nicht denken, um ihr Herz daran zu hindern, einen schnellen Sambarhythmus zu schlagen.
    Doch der Verlust meiner Fähigkeiten als guter Liebhaber ist ein geringer Preis für das Leben, das mir nun offen steht. Ein Leben ohne Beschränkungen. Ein Leben bis in alle Ewigkeit, wenn ich denn wollte. Für immer jugendliches Aussehen. Eine berauschende Vorstellung.
    Sie ließ den Kopf auf das Kopfteil der Couch zurückfallen. Dieser Kerl glaubte tatsächlich an den Slogan Ewige Jugend .
    Weshalb war er so sehr davon überzeugt? Allein der Glaube an etwas musste Auswirkungen auf seine Erlebnisse und die Art, wie er sie beurteilte, haben. Wahrscheinlich konnte er sich so eine Zeit lang vormachen, dass er tatsächlich nicht alterte. Spätestens nach zehn Jahren ließ sich der Verfall des Körpers jedoch nicht mehr verleugnen.
    Was das Ganze mit Sex zu tun hatte, verstand sie immer noch nicht. Der Mann spürte Die Macht während der körperlichen Liebe? Aber worum handelte es sich bei Der Macht überhaupt? Er schien während des Schreibens dieses Textes konfus, genauso durcheinander wie sie beim Lesen der Ausführungen.
    Auf den weiteren Seiten erzählte der Mann von den Veränderungen, die er in seinem Gesicht zu bemerken glaubte. Er dokumentierte jede angeblich verschwindende Falte, jede verblassende Narbe, jedes an seiner kahlen Stirn nachwachsende Haar. Eva begann an seinem Verstand zu zweifeln. All das konnte man sich nicht einreden.
    Schließlich machte er sich auf die Suche nach einem Mann, der geeignet schien, als neuer Bruder aufgenommen zu werden. Er unterhielt sich mit Männern, durchleuchtete ihr Leben, analysierte ihren Charakter. Noch schien der geeignete Kandidat für die Bruderschaft nicht gefunden.
    Sie blätterte weiter, überflog die Textpassagen, bis sie auf ein Wort stieß, das ihre Aufmerksamkeit sofort wieder erweckte. Er berichtete endlich von Der Macht .
    23. März 1676
    Die Macht hat eine neue Dimension in mir erreicht. Seit ich sie das erste Mal gefühlt habe, habe ich Die Macht als wildes Tier bezeichnet. Es frisst mit jedem Jahr einen Teil meiner Selbst und kontrolliert meinen Charakter. Es übernimmt Entscheidungen für mich, lässt mich Dinge tun, damit ich Der Macht Nahrung besorge.
    Ich glaube, es ist an der Zeit, es auszusprechen. Die Macht braucht die regelmäßige, ausschweifende körperliche Liebe, um zu wachsen. Und Die Macht ermöglicht mir und meinen Brüdern, ewig zu leben.
    Seit ich zum Ältesten wurde, hat sich die Auswirkung Der Macht auf mich noch verstärkt. Sie lässt mich Moralvorstellungen und Regeln außerhalb unserer Bruderschaft vergessen. Die Macht lässt aus mir ein Wesen ohne Anstand und Sittlichkeit werden. Doch solange sich dieser