Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
ich fort. »Der Bürgermeister vor mir ist auch zurückgetreten, erinnerst du dich? Deshalb bin ich sein Nachfolger geworden, durch eine Nachwahl. So etwas würde jetzt wieder passieren.«
»Aber Mr. Doug hatte Krebs. Wer wird denn Bürgermeister, wenn du aufhörst?«
Ich lächle sie an. »Ich kenne jemanden, der seit langem Bürgermeister werden will.«
»Nicht Mr. Johnson!«
Ich muss über ihren gesunden politischen Instinkt lachen. »Nein, nein. Shad wollte es auch immer, aber ich habe an Paul Labry gedacht.«
Annies Augen leuchten auf. »Ja! Mr. Labry wäre ein toller Bürgermeister. Er ist nett, und es macht ihm Spaß, mit den Leuten auf der Straße zu sprechen. Du hast weniger Lust dazu. Das ist nicht gut.«
»Du bekommst wirklich vieles mit.« Ich streiche ihr liebevoll über den Kopf. »Annie, ich glaube, die Sache ist mir nun klarer geworden: Natchez war für mich der richtige Ort zum Heranwachsen, aber nicht für dich. Die Stadt war in meiner Jugend anders. Ich habe für den Bürgermeisterposten kandidiert, weil ich dachte, einige der guten Dinge von früher zurückholen zu können. Und gleichzeitig wollte ich die Dinge in Ordnung bringen, die schon damals falsch waren. Aber das ist zu schwer für einen Einzelnen. Ich möchte, dass wir irgendwo wohnen, wo es mehr Kinder wie dich gibt, die so klug sind wie du, und mehr, die anders sind als du. Du sollst alle Möglichkeiten kennenlernen. Das hast du verdient.«
Sie verdreht die Decke mit der rechten Hand, und ihre Stimme hat sich kaum merklich verändert. »Wenn du ›wir‹ sagst, meinst du dann nur dich und mich?«
Genau das ist der Kern unseres Gesprächs.
»Nun ja … meine Entscheidung, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren, war wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, dass Caitlin und ich auseinandergegangen sind.«
»Mhm.« Deshalb frage ich dich jetzt danach, Dummkopf, scheinen ihre Augen zu sagen. »Aber ich glaube nicht, dass sie wirklich von uns wegwollte.«
»Ich auch nicht.«
»Sie hat ihr Haus in Natchez behalten.«
»Ja. Und das Haus war eine Art Symbol. Eine Erinnerung daran, dass sie dort draußen war und hoffte, ich würde zu ihr kommen. Aber diese Stadt ist zu klein für Caitlin. Wenn wir alle zusammen sein wollen, müssten wir irgendwo anders hinziehen. Und ich bin nicht sicher, dass es dir gefallen würde, weil du all die Freunde zurücklassen müsstest, die du hier gefunden hast.«
Annies Miene ist mitunter schwer zu ergründen, doch in diesem Moment leuchten mich die Augen ihrer Mutter voller Gewissheit an. »Es ist mir egal, wo wir wohnen, Daddy, solange wir zusammen sind.«
»Mit ›wir‹ meinst du dich und mich?«
Annie schüttelt den Kopf. »Nein, uns drei. Ich möchte, dass Caitlin meine Mom wird. So ist es gedacht.«
Als ich Tränen in den Augenwinkeln spüre, drehe ich den Kopf zur Tür.
Annie kommt zu mir und legt mir die Arme um den Hals. »Schon gut, Dad. Ich glaube, sogar Mom wäre dafür. Sie würde wollen, dass wir glücklich sind und dass du jemanden hast, der sich um dich kümmert.«
»Und um dich«, sage ich mit erstickter Stimme.
»Du hast dich gut um mich gekümmert. Aber es wird Zeit, dass Mr. Paul auf diese Stadt aufpasst und wir auf uns selbst.«
Ich beuge mich vor und umarme sie fest. Als ich mich wieder aufrichte, fährt sie fort: »Ich glaube, Caitlin braucht uns auch.«
Ein Gefühl der Wärme breitet sich in meiner Brust aus. »Wahrscheinlich hast du recht. Und nun musst du ein bisschen schlafen.«
»Ja. Ich bin froh, dass ich wieder in meinem eigenen Bett liege.«
Lächelnd küsse ich sie noch einmal, knipse dann das Licht aus und verlasse das Zimmer.
Am Fuß der Treppe sehe ich, wie Kelly durch die Haustür kommt. Er bewegt sich langsamer als sonst, und seine Augen sind trüb. Dann fällt mir der Styroporbecher in seiner Hand auf. Der Geruch von Alkohol erreicht mich mit seinen ersten Worten.
»He, Penn, wie geht’s denn allen so?«
»Gut. Wir sind froh, wieder zusammen zu sein. Und du? Wie fühlst du dich?«
»Alles paletti.«
Ich strecke die Hand aus und drücke seine Schulter. »Du kommst mir ziemlich mitgenommen vor.«
»Du weißt ja, ich habe seit meiner Ankunft kaum geschlafen. Viel Schlaf brauche ich nicht, aber ein bisschen schon.«
»Heute Nacht kannst du es nachholen.«
Er nickt überschwänglich. »Ja. Und endlich habe ich auch einen getrunken. Ich wollte nicht auf die Queen gehen. Der verdammte Quinn wäre bestimmt froh, mich so zu erwischen. Ich wette, er hat
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