Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
angrenzende Mauer im rechten Winkel zu ihm, sodass meine Laufschuhe seine zermürbten Segelschuhe fast berühren. Jetzt erst wird mir klar, dass Tim sich nach der Arbeit umgezogen haben muss. Die Uniform, die er im Dienst trägt, ist schwarzen Jeans und einem grauen T-Shirt gewichen.
»Konnte nicht in Arbeitskleidung herkommen«, sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen, doch er hat nur auf meinen Blick reagiert. Offensichtlich haben die Drogen, die er im Laufe der Jahre genommen hat, seinen einst so scharfen Geist nicht gänzlich zerstört.
Ich beschließe, auf weiteren Smalltalk zu verzichten. »Du hast am Telefon ein paar ziemlich gruselige Dinge erwähnt. Gruselig genug, um mich zu dieser Stunde hierherzulocken.«
Tim nickt und wühlt in seiner Tasche nach etwas, das sich als gekrümmte Zigarette erweist. »Kann nicht riskieren, sie anzuzünden«, sagt er und steckt sie sich zwischen die Lippen, »ist aber gut zu wissen, dass ich sie für die Heimfahrt habe.« Er grinst noch einmal, bevor er eine ernste Miene aufsetzt. »Also, was hattest du vor meinem Anruf gehört?«
Ich möchte nichts wiederholen, was Tim nicht bereits selbst gesehen oder gehört hat. »Gerüchte über Prominente, die zum Glücksspielen einfliegen und dann schleunigst wieder abhauen. Profisportler, Rapper, was weiß ich. Leute, die normalerweise nicht hierherkommen.«
»Hast du von den Hundekämpfen gehört?«
Meine Hoffnung, dass die Gerüchte falsch sind, schwindet. »Ich habe gehört, dass sich in der Richtung irgendwas abspielt, aber es war schwer zu glauben. Okay, ich könnte mir denken, dass sich ein paar Hinterwäldler unten im Tal oder jenseits des Flusses auf so was einlassen, aber keine High Roller oder Berühmtheiten.«
Tim saugt an seiner Unterlippe. »Was noch?«
Diesmal antworte ich nicht. Ich habe andere Gerüchte gehört – zum Beispiel darüber, dass Prostitution und harte Drogen im Schutz der Glücksspielbranche gedeihen. Aber das gab es schon immer. »Ich will keine Vermutungen über Dinge anstellen, die vielleicht nicht wahr sind.«
»Du redest wie ein beschissener Politiker.«
Wahrscheinlich bin ich sogar einer geworden, aber ich fühle mich eher wie ein Anwalt, der die Wahrheit aus der Geschichte eines unzuverlässigen Mandanten herausfiltert. »Warum erzählst du mir nicht einfach, was du weißt? Dann werde ich dir sagen, ob es mit meinen Informationen übereinstimmt.«
Tim, der mit jeder Sekunde ängstlicher aussieht, gibt seiner Nikotinsucht schließlich doch nach. Er holt ein Feuerzeug hervor, lässt die Flamme auflodern, berührt damit das Ende der Zigarette und zieht die Luft durch das Papierröhrchen ein wie jemand, der an einer ellenlangen Wasserpfeife nuckelt. Er hält den Rauch besorgniserregend lange zurück, bevor er ausatmet und sagt: »Weißt du, dass ich ein Kind habe? Einen Sohn.«
»Ja. Ich habe ihn vor ein, zwei Wochen mit Julia im Supermarkt gesehen. Sieht prächtig aus.«
Tims Lächeln erhellt sein Gesicht. »Genau wie seine Mutter. Sie ist immer noch eine Schönheit, stimmt’s?«
»Stimmt«, pflichte ich wahrheitsgemäß bei. »Tja, also … was machen wir hier, Timmy?«
Er erwidert immer noch nichts, sondern nimmt einen weiteren langen Zug, wobei er die Hände um die Zigarette legt, als wäre sie ein Joint. Sein ganzer Körper bebt, aber nicht nur wegen der Kälte, und zum ersten Mal fürchte ich, dass er wieder Drogen nimmt.
»Tim?«
»Es ist nicht das, was du denkst. Ich trage den ganzen Scheiß seit längerer Zeit mit mir herum, und manchmal krieg ich das Zittern.«
Er weint, stelle ich erstaunt fest, und wischt sich die Tränen aus den Augen. Ich drücke sein Knie, um ihn zu trösten.
»Tut mir leid«, flüstert er. »Wir sind weit von der Mill Pond Road entfernt, stimmt’s?«
Die Mill Pond Road ist die Straße, in der ich aufgewachsen bin. »Ja. Alles in Ordnung?«
Er drückt seine Zigarette an einem Grabstein aus und beugt sich vor. In seinen Augen sehe ich eine Leidenschaft, die ich ihm gar nicht mehr zugetraut hätte. »Wenn ich dir mehr erzähle, gibt es kein Zurück. Verstehst du? Wenn ich dir sage, was ich weiß, wirst du nicht mehr schlafen können. Ich kenne dich. Dann bist du wie ein Pitbull und lässt nicht mehr los.«
»Hast du mich nicht deshalb herbestellt?«
Jessup zuckt die Achseln. Sein Kopf und seine Hände sind wieder zappelig. »Ich will dich nur warnen, Penn. Wenn du dem Problem aus dem Weg gehen willst, dann tu es jetzt. Klettere über die
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