Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
vergewissern, dass die Witwe unterrichtet ist – oder sogar, um Jessups Haus durchsuchen zu lassen –, aber es ist mehr als überraschend, dass zwei Streifenwagen durch Maplewood rasen, als hätte jemand einen Hausfriedensbruch gemeldet. Aber als sich zwei Polizisten nähern, kann ich an nichts anderes denken als an Julias Sicherheit.
»Wer sind Sie? Was tun Sie hier?«, schnauzt der erste Cop.
»Ich bin Bürgermeister Penn Cage. Ich wollte Julia Jessup mitteilen, dass heute Nacht ihr Mann getötet wurde. Chief Logan kann das bestätigen. Rufen Sie ihn an. Ich kann hier nicht die ganze Nacht herumstehen und mich mit Ihnen unterhalten.«
Der Polizist zu meiner Linken betrachtet mich näher und klopft seinem Partner dann auf den Oberarm. »In Ordnung. Er ist der Bürgermeister.«
»Bist du sicher?«, fragt der zweite Uniformierte.
»Ja, verdammt. Mein Dad ist mit ihm in die Schule gegangen.«
In jeder anderen Nacht hätte ich den jungen Polizisten gefragt, wer sein Vater ist, doch diesmal nicht. »Leute, ich muss weiter. Jemand hat das Haus auseinandergenommen. Sie müssen es sichern. Lassen Sie niemanden rein.«
»Die Frau ist nicht hier?«, will der junge Polizist wissen.
Ich antworte, während ich schon ins Auto steige. »Ich versuche, sie zu finden. Ich bringe den Chief später auf den neuesten Stand.«
Mit einem Ruck lege ich den Gang des Saab ein und fahre zurück zum Highway 61. In weniger als fünf Minuten kann ich mein Haus in der Washington Street erreichen, und ich brauche einen Handlungsplan, bevor ich dort eintreffe. Julia könnte in Kürze die Kontrolle verlieren, und ein falscher Schritt von ihr wäre vielleicht tödlich. Aber ich habe fast keinen Spielraum. Sämtliche Mittel, die ich in einer solchen Situation normalerweise heranziehen würde, sind durch Tims Warnungen unwirksam worden. Gestern Nacht konnte ich nicht sicher sein, dass seine Vorsicht gerechtfertigt war, doch nachdem ich den Zustand seiner Leiche und seines Hauses gesehen habe, beabsichtige ich nicht, das Leben seiner Frau und seines Sohnes aufgrund von Vermutungen zu riskieren.
In außergewöhnlichen Situationen habe ich manchmal andere Mittel eingesetzt, doch nichts davon ist heute Nacht verfügbar. Der Mann, dem ich am ehesten zutraue, mir in einer Krise zu helfen, hält sich in Afghanistan auf, wo er für eine Sicherheitsfirma aus Houston arbeitet. Das Unternehmen mag ein paar Mitarbeiter in den Staaten haben, die helfen könnten, Julia zu beschützen, aber sie wären in Houston, sieben Autostunden von hier entfernt.
Die meisten Menschen, die das Gefühl haben, den örtlichen Gesetzeshütern nicht trauen zu können, würden sich wahrscheinlich an das FBI wenden, doch diese Möglichkeit ist für mich mit Problemen verbunden. Vor sieben Jahren habe ich den Rücktritt des FBI -Direktors erzwungen, als ich bewiesen hatte, dass er 1968 an der Vertuschung eines Mordes an Bürgerrechtlern in Natchez beteiligt war. Das brachte mir wenige Anhänger beim FBI ein (jedenfalls keine offenen Anhänger) und machte mich zu einer Belastung für die Fahnder, mit denen ich während meiner erfolgreichen Karriere als stellvertretender Bezirksstaatsanwalt in Houston Freundschaft geschlossen hatte.
»Verdammte Scheiße!«, brülle ich und hämmere auf das Lenkrad ein. »Was geht hier vor?«
Es ist wie ein Schrei unter einer Glashaube, doch wenigstens macht mein Ausbruch der Wut Luft, die sich seit dem Anblick von Tims Leiche in mir angesammelt hat. Ich balle die rechte Hand zur Faust und knalle sie auf den Beifahrersitz, bis mir das Handgelenk schmerzt. Als der Nationalpark bei der Melrose Plantation vorbeijagt, merke ich, dass ich achtzig Meilen die Stunde fahre – vierzig Meilen über der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Beruhige dich, sage ich mir und erinnere mich an meinen Vater, der umso gelassener wird, je düsterer die medizinische Notlage ist. Wenn alles auf dem Spiel steht, macht Überlegung, nicht Hast, den Unterschied zwischen Leben und Tod aus.
Endlich bin ich am Ziel, steige aus und renne auf das Haus zu. Als ich die Verandastufen im Laufschritt hinter mich bringe, fällt mir auf, dass die über mir hängende gusseiserne Lampe nicht brennt. Mom muss sie versehentlich ausgeknipst haben. Das ist untypisch für sie, aber ich habe keine Zeit, über persönliche Widersprüchlichkeiten nachzudenken. Gerade stecke ich den Schlüssel ins Schloss, als sich die Stimme eines Mannes aus dem Schatten rechts von mir vernehmen lässt.
»Das
Weitere Kostenlose Bücher