Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
dreizehn Meter über mir auf und versuche, mir vorzustellen, dass Tim verzweifelt genug gewesen sein muss, um den Sprung zu wagen. Wenn der Mann, der ihn verfolgte, Tim gefoltert hatte, war er vielleicht in der Hoffnung vom Sims gesprungen, dass er das Abwasserrohr überqueren und auf den Zweigen der Bäume dahinter landen würde. Aber das Risiko war trotzdem sehr hoch. Am vernünftigsten wäre es gewesen, zurück zur Schänke oder sogar den Sims hinunterzulaufen, an der Silver Street entlang. Autos fahren zu jeder Tages- und Nachtzeit über den Hügel, und er hätte vielleicht eines anhalten können.
»Hat jemand die Nummernschilder des Fahrzeugs gesehen?«
Logan schüttelt den Kopf. »Der SUV ist in aller Eile verschwunden. Niemand weiß auch nur, ob er Mississippi-Schilder hatte.«
»Verdammt. Was hältst du von alledem?« Es geht mir eher darum, Logans Reaktion zu beobachten, als etwas zu erfahren.
»Da kommen viele Dinge in Betracht. Jessup war als Drogenabhängiger bekannt.«
»Er war seit einem Jahr clean.«
Shad Johnson, der bisher geschwiegen hat, schnaubt verächtlich. »Jessup ist einem Freund von mir vor zwei Monaten hinten aufgefahren, und mein Freund schwört, dass er völlig weggetreten war.«
Tim war vor zwei Monaten high? »Hat die Polizei eine Blutprobe genommen?«
Shad schüttelt den Kopf. »Der Schaden war gering. Und es lohnte sich nicht, Jessup anzuklagen. Er hatte nichts als Schulden.«
Logan zuckt zusammen. Er hat keine Lust, zwischen uns in der Zwickmühle zu sitzen.
»Dieser Scheiß hier könnte durch irgendeinen Konflikt ausgelöst worden sein«, mutmaßt der Bezirksstaatsanwalt. »Durch den Streit wegen einer Frau. Dadurch, dass Jessups Dealer ihm die Schulden für Dope aus dem Arsch schneiden wollte. Ich nehme an, Montag oder Dienstag wissen wir mehr.«
»Hast du eine Rastersuche um die Leiche machen lassen?«, frage ich Logan.
»So gut es ging. Wir haben in Wurfweite nichts gefunden, aber dort unten gibt es verdammt viel Kudzu und eine Menge Bäume. Wenn er etwas mit aller Kraft von der Spitze des Kliffs geworfen hat, brauchen wir Tageslicht, um es zu finden.« Logan unterbricht sich, doch seine Ingenieursaugen wollen von mir wissen, was Tim bei sich gehabt haben könnte. »Wenn er etwas Wuchtigeres geworfen hat, könnte es sogar bis zum Fluss geflogen sein.«
»Dope wiegt nicht viel«, sagt Shad. »Jedenfalls nicht so viel, dass es sich zum Werfen eignet. Sie werden seinen Vorrat am Morgen entdecken, wenn die Ratten und Waschbären ihn nicht vorher auffressen.«
»Was machen Sie eigentlich an diesem Tatort?«, frage ich Shad. »Normalerweise bleiben Sie der schmutzigen Arbeit doch lieber fern.«
Shads Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Auseinandersetzungen sind unterhaltsam für ihn. »Ich war auf einer Party hier in der Nähe. Natürlich beantworte ich Ihre Frage nur aus Höflichkeit. Sie sind nicht der Bezirksstaatsanwalt, Penn Cage. Nein, Sir. Diese Ermittlung liegt in meinen Händen, und ich werde entscheiden, was wann getan wird.«
»Richtig, Sie haben die Leitung. Aber vergessen Sie nicht, dass Macht auch Verantwortung mit sich bringt. Sie werden an den höchsten Maßstäben gemessen werden, da dürfen Sie sicher sein.« Ich wende mich an Logan. »Wir sollten bei der Autopsie Druck machen, Chief.«
»Jetzt fängt er schon wieder an«, sagt Shad. »Gibt Befehle, als wäre er der Staatsanwalt.«
Statt den Köder zu schlucken, drehe ich mich um und schreite zurück zur Leiter. Sobald Shad nicht mehr in meinem Blickfeld ist, geht er mir aus dem Sinn. Mein Zorn verraucht, als ich zur Silver Street hinaufklettere und mich durch die plappernde Menge zu meinem Auto vorarbeite. Mehrere Bekannte von mir rufen einen Gruß, doch ich winke sie brüsk davon. Eine bleierne Schwere breitet sich von meinem Herzen aus. Lieber würde ich Tims verstümmelten Körper säubern und einbalsamieren, als Julia mitzuteilen, dass der Vater ihres Babys tot ist. Aber es gibt Pflichten, vor denen man sich nicht drücken kann. Wenn Julia fragt, warum Tim gestorben ist – ob ich dann den Mut habe, ihr die Wahrheit zu sagen? Dass ihr Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit umkam, weil ich mich zu unserem Treffen verspätet hatte?
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T ims Frau und sein Sohn wohnen in der Siedlung Montebello, einer Gruppe kleiner Schindelhäuser, die in den Vierzigerjahren für die Angestellten der International Paper Company gebaut worden waren. Den größten Teil ihrer Geschichte hindurch beherbergten diese
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