Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
überwinden, ist die Anregung, über ein imaginäres Hindernis vor einem zu steigen. Ich habe Visionen, dass ich aussehe wie Marcel Marceau.
Ich gehe bis zur nächsten Straßenecke, drehe um und komme zurück, ohne die Fotografen aus dem Blick zu lassen, die immer noch vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes herumlungern. Plötzlich drängen sie mit gereckten Kameras nach vorne. Eddie muss einen Wagen organisiert haben. Bobby kommt halb geduckt aus dem Gebäude, schiebt sich durch das Gedrängel und lässt sich auf die Rückbank eines Fahrzeugs fallen. Die Wagentür schlägt zu, während die Blitzlichter weiter flackern.
Das hätte ich voraussehen müssen. Darauf hätte ich vorbereitet sein sollen. Ich humpele auf die Straße und winke mit beiden Armen und erhobenem Gehstock nach einem Taxi. Der erste Wagen weicht mir aus und saust an mir vorbei, sodass die Autos in der Nebenspur hart bremsen müssen.
Das Taxischild des nächsten Wagens ist erleuchtet. Der Fahrer hält entweder an oder er überfährt mich.
Er nimmt meine Anweisung, dem Wagen zu folgen, ausdruckslos entgegen. Vielleicht hören Taxifahrer so etwas ständig.
Die silberne Limousine mit Bobby fährt vor uns, eingeklemmt zwischen zwei Bussen und einer Reihe anderer Wagen. Mein Fahrer stößt in unvermittelt frei werdende Lücken und wechselt die Spuren, ohne den Kontakt abreißen zu lassen. Gleichzeitig beobachte ich, wie er verstohlen in den Rückspiegel sieht. Als unsere Blicke sich treffen, guckt er rasch weg. Er ist jung, vielleicht Anfang zwanzig, mit rostfarbenem Haar und Sommersprossen im Nacken. Er löst seinen festen Griff um das Lenkrad, und seine Hände flattern nervös ums Steuer.
»Sie wissen, wer ich bin.«
Er nickt.
»Ich bin nicht gefährlich.«
Er sucht in meinem Blick nach einer Bestätigung, doch meine Miene kann ihm keine geben. Mit der Parkinsonschen Starre ist mein Gesicht eine kalte steinerne Maske.
8
Dieser Abschnitt des Grand Union Canal ist schmucklos und ungepflegt, der asphaltierte Treidelpfad ist löchrig und voller Risse. Ein verrosteter Eisenzaun, der die terrassierten Gärten vom Wasser trennt, neigt sich bedrohlich zu einer Seite. Ein graffitibeschmierter Wohnwagen steht ohne Tür und Räder auf vier Ziegelsteinen. In einem Gemüsebeet liegt ein halb begrabenes Dreirad.
Seit der Wagen ihn an der Camley Street hinter dem Bahnhof St. Pancras abgesetzt hat, hat Bobby sich keinmal umgedreht.
Er geht an dem Häuschen des Schleusenwärters vorbei. Die Gaswerke werfen einen Schatten über die leer stehenden Fabriken am Südufer, ein Schild kündigt den Bau eines neuen Gewerbegebiets an.
In einer Biegung des Kanals liegen an einer Steinmauer vier schmale, leuchtend rot und grün gestrichene Boote vor Anker. Das Vierte hat einen Bug in der Art eines Schleppers, einen schwarzen Rumpf und eine Kabine mit dunkelbraunen Zierleisten.
Bobby steigt an Bord und klopft offenbar auf das Deck. Er wartet ein paar Sekunden und entriegelt eine Luke, schiebt sie auf, öffnet die darunter liegende Tür und steigt außer Sichtweite in die Kabine hinunter. Ich warte am Rande des Pfades, verborgen von einem Brombeerstrauch, der einen Zaun zu verschlucken droht. Eine Frau in einem grauen Mantel hastet an mir vorbei und zerrt einen angeleinten Hund hinter sich her.
Nach fünf Minuten taucht Bobby wieder auf und blickt in meine Richtung. Er schiebt die Luke zu und klettert an Land. Er greift in seine Tasche und zählt sein Kleingeld. Dann beginnt er den Pfad hinunterzugehen. Ich folge in einigem Abstand, bis er die Treppe zu einer Brücke hinaufsteigt und in südlicher Richtung zu einer Tankstelle geht.
Ich kehre um und gehe zu dem Boot zurück. Ich muss sehen, wie es an Bord aussieht. Die lackierte Tür ist zu, aber nicht abgeschlossen. Die Kabine ist dunkel. Die Vorhänge vor den Luken und Fensterschlitzen sind zugezogen. Zwei Stufen führen hinunter in eine Kombüse. Die Edelstahlspüle ist leer. Eine einsame Teetasse trocknet auf einem Geschirrtuch.
Sechs Schritte weiter liegt der Wohnbereich, der mit einer Werkbank an einer Seite eher an eine Werkstatt erinnert. Als ich mich an die Dunkelheit gewöhnt habe, erkenne ich ein Lochbrett mit Werkzeugen – Meißel, Schraubenschlüssel, Schraubenzieher, Blechscheren, Hobel, Feilen. Des Weiteren gibt es Regale für Kästen mit Rohren, Dichtungsringen, Bohrern
und Isolierband. Der Fußboden ist zum Teil von Töpfen mit Farbe, Rostschutzmittel, Lack, Schmierfett und Maschinenöl bedeckt.
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