Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Unter der Werkbank steht ein tragbarer Generator. An einer Kordel hängt ein altes Radio von der Decke. Alles hat seinen ordnungsgemäßen Platz.
An der gegenüberliegenden Wand ist ein weiteres Lochbrett, das allerdings bis auf vier daran befestigte Lederhandschellen leer ist – zwei knapp über dem Boden, zwei entsprechende unter dem Dach. Mein Blick wandert nach unten, obwohl ich gar nicht hinsehen will. Die nackten Holzdielen und Fußleisten sind mit Flecken gesprenkelt, die noch dunkler sind als der dunkle Boden.
Ich taumele rückwärts, stoße gegen das Schott und betrete eine Kabine. Alles wirkt ein wenig unproportioniert. Die Matratze ist zu breit für das Bett, die Lampe zu groß für den Tisch. An den Wänden hängen zahlreiche Zettel und Ausrisse, aber es ist zu dunkel, um sie richtig zu erkennen. Ich schalte das Licht an und brauche einen Moment, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen.
Dann muss ich mich setzen. Zeitungsausschnitte, Fotos, Karten, Diagramme und Bilder. Ich sehe Bilder von Charlie auf dem Weg zur Schule, beim Fußball, im Schulchor, beim Einkauf mit ihrer Großmutter, auf einem Karussell und beim Entenfüttern. Andere Fotos zeigen Julianne in ihrem Yoga-Kurs, im Supermarkt, beim Streichen der Gartenmöbel, an der Haustür… Als ich genauer hinsehe, erkenne ich Quittungen, Kartenabrisse, Newsletter des Fußballvereins, Fotokopien von Kontoauszügen und Telefonrechnungen, einen Stadtplan, einen Bibliotheksausweis, Mahnungen für die Schulgebühren, einen Strafzettel wegen Falschparkens, Zulassungspapiere für den Wagen…
Auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett stapeln sich Ringnotizbücher. Ich nehme das oberste und schlage es auf. Die Seiten sind mit einer ordentlichen und strengen Handschrift voll geschrieben. Am linken Rand sind Datum und Uhrzeit verzeichnet.
Daneben die Details meiner Aktivitäten, Ortsangaben, Namen getroffener Personen, Dauer des Treffens, benutzte Verkehrsmittel und Wichtigkeit. Es ist ein Handbuch für mein Leben. Wie werde ich ich!
Ich höre über meinem Kopf ein Geräusch an Deck. Irgendetwas wird an Bord gezerrt und ausgeschüttet. Ich schalte das Licht aus, sitze im Dunkeln und versuche, ruhig zu atmen. Jemand schwingt sich durch die Luke in den Salon, bewegt sich eilig in der Kombüse und öffnet Schränke. Ich liege eingeklemmt zwischen Schott und dem Fußende des Bettes und spüre meinen pochenden Puls im Kieferknochen.
Der Motor wird angelassen. Kolben heben und senken sich, bevor sie in einen gleichmäßigen Rhythmus verfallen. Durch die Luken sehe ich Bobbys Beine und spüre, wie das Boot schwankt, als er sich an der Reling vorwärts bewegt und die Leinen löst.
Ich blicke in Kombüse und Wohnbereich. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es vielleicht, an Land zu springen, bevor er ins Steuerhaus zurückkehrt. Ich versuche aufzustehen, stoße dabei einen rechteckigen Rahmen um, der an der Wand lehnt, kann ihn jedoch mit einer Hand auffangen. Für einen Moment erstarrt das Bild in dem Licht, das durch die Vorhänge fällt: eine Strandszene, Badehütten, Eisbuden, ein Riesenrad und am Horizont Charlies kräftiger grauer Wal.
Ich falle stöhnend nach hinten, und meine Beine verweigern den Dienst, als würden sie jemand anderem gehören.
Das schmale Boot schwankt erneut, und die Schritte kommen zurück. Er hat die Leinen gelöst. Ein Gang des Motors wird eingelegt, und wir verlassen den Ankerplatz. Wasser gleitet am Rumpf entlang. Ich ziehe mich hoch, schiebe die Vorhänge einen Spalt auf und spähe durch die Luke, sehe jedoch nur Baumkronen.
Dann höre ich ein neues Geräusch – ein Zischen wie von
starkem Wind. Aller Sauerstoff verschwindet aus der Luft. Benzin fließt über den Boden und sickert in meine Hose. Lackiertes Holz fängt knackend Feuer. Dämpfe brennen in meinen Augen und in meinem Hals. Auf allen vieren krieche ich in Richtung des dichter werdenden Qualms.
Ich schleppe mich durch die U-förmige Kombüse in den Wohnbereich. Der Motor ist ganz in der Nähe. Ich höre ihn auf der anderen Seite des Schotts stampfen. Ich schlage mit dem Kopf gegen eine Stufe und klettere nach oben. Die Luke ist von außen verriegelt. Ich ramme mit der Schulter dagegen, aber nichts bewegt sich. Durch die Tür spüre ich die Hitze. Ich muss einen anderen Ausweg finden.
Die Luft in meiner Lunge fühlt sich an wie geschmolzenes Glas. Ich sehe nichts, kann den Weg jedoch ertasten. Ich greife mit einer Hand einen Hammer, mit der anderen einen scharfen
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