Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Amboss, sodass ich in meiner Praxis stehe, als wollte ich den Verkehr regeln. Er nimmt Platz, lehnt sich in dem Stuhl zurück und spreizt die Beine, bis sein Mantel sich öffnet.
»Hier arbeiten Sie also, Professor? Sehr nett.« Er sieht sich scheinbar flüchtig in dem Raum um, doch ich weiß, dass er alle Details registriert. »Wie viel Miete kosten Praxisräume wie diese?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin nur einer der Partner.«
Ruiz kratzt sich am Kinn und kramt in seiner Manteltasche nach einem Kaugummi, den er langsam auspackt.
»Was genau macht ein Psychologe eigentlich?«
»Wir helfen Menschen, die durch Ereignisse in ihrem Leben beschädigt wurden. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, sexuellen Problemen oder Neurosen.«
»Wissen Sie, was ich denke? Ein Mann wird überfallen und liegt blutend auf der Straße. Zwei Psychologen gehen vorbei, und der eine sagt zum anderen: ›Lass uns den Menschen finden, der das getan hat – er braucht Hilfe.‹«
Er lächelt, doch seine Augen lächeln nicht mit.
»Ich helfe mehr Opfern als Tätern.«
Ruiz zuckt die Achseln und wirft die Kaugummiverpackung in den Papierkorb. »Schießen Sie los. Woher wussten Sie von dem roten Kleid?«
Ich blicke auf die Aktenmappe vor mir und löse das Band. »Ich werde in wenigen Minuten einen Anruf bekommen und die Praxis verlassen müssen, aber Sie dürfen gerne bleiben. Vermutlich werden Sie feststellen, dass mein Stuhl bequemer ist.« Ich schlage Bobbys Akte auf.
»Wenn Sie fertig sind und über irgendetwas reden wollen, ich bin in dem Lokal gegenüber. Ich darf nicht über einen bestimmten Patienten oder Fall reden.« Ich klopfe zur Betonung auf Bobbys Akte. »Ich kann lediglich über Persönlichkeitsstörungen im Allgemeinen sprechen und darüber, wie Psychotiker und Psychopathen ticken. Es wird das Gespräch sehr erleichtern, wenn Sie das nicht vergessen.«
Ruiz presst die Handflächen gegeneinander wie zum Gebet und tippt mit den Zeigefingern auf seine Lippen. »Ich mag es nicht, Spielchen zu spielen.«
»Das ist kein Spiel. Entweder wir machen es so, oder ich kann Ihnen nicht helfen.«
Das Telefon klingelt. Meena sagt ihr Sprüchlein auf, kommt aber gar nicht bis zum Ende. Ich bin schon auf dem Weg nach draußen.
Die Sonne scheint von einem blauen Himmel. Es fühlt sich an wie Mai und nicht wie Mitte Dezember. Manchmal macht London das – einen strahlenden Tag einlegen, um die Leute daran zu erinnern, dass es doch kein so schlechter Ort zum Leben ist.
Deshalb zählen die Engländer auch zu den größten Optimisten der Welt. Wir kriegen ein prachtvolles, heißes, trockenes Wochenende, und die Erinnerung daran bringt uns durch den ganzen Sommer. So läuft es jedes Mal. Und wenn es Frühling wird, kaufen wir Shorts, T-Shirts, Bikinis und Sarongs in der glorreichen Erwartung einer Jahreszeit, die nie kommen wird.
Ruiz findet mich bei einem Mineralwasser an der Bar.
»Ihre Runde«, sagt er. »Ich nehme ein Pint Bitter.«
In dem Lokal drängeln sich die Mittagsgäste. Ruiz geht zu einem Tisch in der Ecke am Fenster, an dem vier Männer sitzen, die aussehen wie Schuljungen, aber gut geschnittene Anzüge und Seidenkrawatten tragen. Ruiz zückt unter der Tischplatte seine Dienstmarke.
»Verzeihen Sie die Umstände, meine Herren, aber ich muss Ihren Tisch für die Überwachung der Bank gegenüber beschlagnahmen. «
Er weist zum Fenster, und alle vier wenden gleichzeitig den Kopf.
»Versuchen Sie, sich ein wenig unauffälliger zu verhalten!«
Sie drehen sich rasch wieder um.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie das Ziel eines bewaffneten Überfalls ist. Sehen Sie den Typ an der Ecke mit der orangefarbenen Weste?«
»Der Straßenfeger?«, fragt einer von ihnen.
»Ja, einer meiner besten Leute. Genau wie die Verkäuferin in dem Dessous-Laden neben der Bank. Ich brauche diesen Tisch.«
»Selbstverständlich.«
»Unbedingt.«
»Können wir sonst noch was für Sie tun?«
Ich sehe ein Funkeln in Ruiz’ Augen. »Nun, normalerweise
mache ich das nicht – Zivilisten als verdeckte Beobachter einsetzen – , aber ich habe nicht genug Leute. Sie könnten sich aufteilen und jeder eine Straßenecke übernehmen. Versuchen Sie, sich unauffällig unter die Passanten zu mischen. Halten Sie Ausschau nach vier Männern in einem Wagen.«
»Wie können wir Kontakt mit Ihnen aufnehmen?«
»Sagen Sie dem Straßenkehrer Bescheid.«
»Gibt es eine Art Passwort?«, fragt einer von ihnen.
Ruiz verdreht die Augen. »Das ist
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