Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
ein Polizeieinsatz und kein beschissener Bond-Film.«
Nachdem sie weg sind, nimmt er den Platz direkt am Fenster und stellt sein Glas auf einen Bierdeckel. Ich sitze ihm gegenüber und lasse mein Glas unangerührt.
»Sie hätten Ihnen den Tisch sowieso überlassen«, sage ich, unschlüssig, ob er gern Streiche spielt oder Menschen einfach nicht mag.
»Hat dieser Bobby Moran Catherine McBride ermordet?« Er wischt sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen.
Die Frage ist so subtil wie ein gezielt geworfener Pflasterstein.
»Ich kann nicht über einzelne Patienten sprechen.«
»Hat er gestanden, dass er sie getötet hat?«
»Ich kann nicht darüber sprechen, was er gesagt oder nicht gesagt hat.«
Ruiz’ Augen verschwinden in dem schmalen Labyrinth von Falten, und sein ganzer Körper spannt sich an. Dann atmet er ebenso plötzlich wieder aus und sieht mich mit einem Gesichtsausdruck an, der wohl ein Lächeln sein soll. Er ist aus der Übung.
»Erzählen Sie mir von dem Mann, der Catherine McBride ermordet hat?«
Offenbar ist die Botschaft angekommen. Ich versuche jeden Gedanken an Bobby Moran zu verdrängen und auf der Grundlage
dessen, was ich über das Verbrechen weiß, über Catherines Mörder nachzudenken. Ich habe eine ganze Woche schlafloser Nächte hinter mir, in denen ich über kaum etwas anderes gegrübelt habe.
»Sie haben es mit einem sexuellen Psychopathen zu tun«, setze ich an und erkenne meine eigene Stimme kaum. »Catherines Ermordung war Ausdruck fehlgeleiteter Triebe.«
»Aber es gab keinerlei Spuren von sexueller Gewalt.«
»Sie dürfen auch nicht in den Kategorien einer normalen Vergewaltigung oder eines sexuellen Missbrauchs denken. Wir haben es mit einer extrem abweichenden Art von Sexualität zu tun. Dieser Mann ist besessen von dem Begehren, zu beherrschen und Schmerzen zuzufügen. Seine Fantasien drehen sich darum, ein Opfer in seine Gewalt zu bringen, zu fesseln, zu unterwerfen, zu quälen und zu töten. Und zumindest einige dieser Fantasien werden dem realen Tatverlauf exakt entsprechen.
Überlegen Sie, was er ihr angetan hat. Er hat sie auf offener Straße verschleppt oder überredet, mit ihm zu gehen. Er hat nicht den schnellen gewalttätigen Sexualverkehr in einem dunklen Hinterhof gesucht und sein Opfer dann zum Schweigen gebracht, damit er nicht identifiziert werden konnte. Stattdessen hat er es darauf angelegt, sie zu brechen – ihre Willenskraft systematisch zu zerstören, bis sie ein williges verängstigtes Spielzeug war. Und nicht einmal das hat ihm gereicht. Er wollte die totale und letzte Kontrolle, er wollte sie seinem Willen so komplett unterwerfen, dass sie sich selbst quälte …«
Ich beobachte Ruiz und warte darauf, dass er das Interesse verliert. »Er hat es beinahe geschafft, aber am Ende war Catherine doch nicht ganz gebrochen. Sie hatte noch einen Funken Widerstand übrig. Sie war eine Krankenschwester. Sie wusste, wie sie sich auch mit einer kurzen Klinge tödlich verletzen konnte, wenn sie schnell sterben wollte. Als sie es nicht mehr ausgehalten hat, hat sie sich in die Halsschlagader geschnitten. Das hat die Embolie ausgelöst. Binnen Minuten war sie tot.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe drei Jahre Medizin studiert.«
Ruiz starrt auf sein Glas, als wollte er überprüfen, dass es mittig auf dem Bierdeckel steht. In der Ferne läuten die Glocken einer Kirche.
»Der Mann, nach dem Sie suchen, ist einsam, sozial unangepasst und sexuell unreif«, fahre ich fort.
»Klingt wie ein durchschnittlicher Teeanger.«
»Nein. Er ist kein Teenager. Er ist älter. Viele junge Männer sind anfangs so, aber hin und wieder tritt einer hervor, der irgendjemandem die Schuld für seine Einsamkeit und seine sexuelle Frustration gibt. Diese Verbitterung und Wut wachsen mit jeder Zurückweisung. Manchmal gibt er einer bestimmten Person die Schuld, manchmal hasst er eine ganze Gruppe von Menschen.«
»Er hasst alle Frauen.«
»Möglich, aber ich glaube, dass es wahrscheinlicher ist, dass er eine ganz bestimmte Sorte von Frauen hasst. Er will sie bestrafen. Er fantasiert darüber und das erregt ihn.«
»Warum hat er Catherine McBride ausgewählt?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht sah sie aus wie jemand, den er bestrafen wollte. Vielleicht hat ihn die Gelegenheit dazu getrieben. Catherine war verfügbar, also hat er seine Fantasie auf ihr Aussehen und ihre Kleidung hin umgestaltet.«
»Das rote Kleid.«
»Vielleicht.«
»Könnte er sie gekannt
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