Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
nicht die Antwort, die ich hören will.«
»Es war ein ziemlich vager Verdacht … eine Vermutung.«
»Vermutlich werden Sie mir sagen, warum.«
»Nein, das kann ich nicht.«
Jetzt ist er wütend. Seine Gesichtszüge wirken nicht mehr ausgelaugt, sondern wie in Stein gemeißelt. »Ich bin ein altmodischer
Detective, Professor O’Loughlin. Ich bin auf eine Gesamtschule in meiner Gegend und danach direkt zur Polizei gegangen. Ich habe nicht studiert und ich lese auch nicht viele Bücher. Oder Computer zum Beispiel. Ich weiß rein gar nichts über die Dinger, nehme aber dankbar zur Kenntnis, dass sie manchmal ganz nützlich sein können. Das Gleiche gilt für Psychologen. «
Er spricht leiser weiter. »Bei jeder Ermittlung sagen mir Leute ständig, was ich nicht machen kann. Sie erklären mir, dass ich nicht zu viel Geld ausgeben darf oder bestimmte Telefone in bestimmten Häusern nicht anzapfen kann. Es gibt tausend Dinge, die ich nicht tun kann – und jedes einzelne macht mich sauer.
Ich habe Sie schon zweimal gewarnt. Wenn Sie mir Informationen vorenthalten, die für die Ermittlungen in einem Mordfall relevant sind, lasse ich all das«, er weist auf das Zimmer, das Haus, mein Leben, »über Ihnen zusammenkrachen.«
Mir fällt keine mitfühlende und entwaffnende Antwort ein. Was kann ich ihm sagen? Ich habe einen Patienten namens Bobby Moran, der vielleicht oder auch nicht schizophren ist und Borderline-Symptome zeigt. Er hat eine Frau bewusstlos getreten, weil sie aussah wie seine Mutter – deren Tod er wünscht. Er erstellt Listen. Er lauscht Windmühlen. Seine Kleidung riecht nach Chloroform. Er trägt ein Stück Papier mit sich herum, auf der hunderte Male die Zahl 21 steht – die gleiche Zahl wie die Anzahl der Wunden, die Catherine McBride sich selbst zugefügt hat …
Wenn ich ihm all das erzähle, wird er mich wahrscheinlich auslachen. Bis jetzt gibt es kein konkretes Indiz, das Bobby mit Catherine verbinden würde, aber ich wäre verantwortlich dafür, dass ein Dutzend Detectives an Bobbys Tür hämmern, seine Vergangenheit durchforsten und seine Verlobte und ihren Sohn zu Tode erschrecken.
Bobby wird wissen, dass ich sie geschickt habe. Er wird mir nicht noch einmal vertrauen. Er wird nie mehr jemandem wie
mir vertrauen. Sein Argwohn wird bestätigt werden. Er hat sich Hilfe suchend an mich gewandt und ich habe ihn verraten.
Ich weiß, dass er gefährlich ist. Ich weiß, dass seine Fantasien ihn zu etwas Schrecklichem treiben. Aber wenn er nicht weiter immer wieder zu mir zurückkommt, kann ich ihn vielleicht nie aufhalten.
Verbitterung und Gereiztheit hängen in der Luft wie der Geruch der rauchfreien Kohle. Ruiz zieht seinen Mantel an und geht zur Haustür. Mein linker Arm zittert. Jetzt oder nie. Entscheide dich.
»Als Sie Catherines Wohnung durchsucht haben – hatte sie ein rotes Kleid?«
Ruiz erstarrt wie vom Blitz getroffen. Er fährt herum und macht einen Schritt auf mich zu. »Woher wussten Sie das?«
»Wird das Kleid vermisst?«
»Ja.«
»Glauben Sie, dass sie es getragen haben könnte, als sie verschwunden ist?«
»Durchaus möglich.«
Er steht im Rahmen der offenen Tür, die Augen blutunterlaufen, der Blick jedoch fest und starr. Immer wieder ballt er die Hand zur Faust. Er will mich in Stücke reißen.
»Kommen Sie morgen Nachmittag in meine Praxis. Es gibt da eine Akte, Sie können sie nicht mitnehmen. Ich weiß nicht einmal, ob es Ihnen helfen wird, aber irgendjemandem muss ich es zeigen.«
19
Die blaue Aktenmappe liegt vor mir auf dem Schreibtisch. Sie ist mit einem Band verschlossen, das sich um ein flaches Rad windet. Daran ziehe ich, um die Akte zu öffnen und dann wieder zu schließen, zu öffnen und wieder zu schließen.
Meena sieht sich nervös um, als sie mein Büro betritt. Sie kommt bis an meinen Schreibtisch, bevor sie flüsternd sagt: »Im Wartezimmer sitzt ein ziemlich furchteinflößender Mann. Er fragt nach Ihnen.«
»Das ist in Ordnung, Meena. Er ist Detective.«
Sie reißt überrascht die Augen auf. »Oh! Das hat er nicht gesagt. Er hat bloß irgendwie – «
»Geknurrt?«
»Ja.«
»Sie können ihn hereinbitten.« Ich mache ihr ein Zeichen, noch einen Schritt näher zu kommen. »Ich möchte, dass Sie mich in etwa fünf Minuten an einen wichtigen Termin außerhalb der Praxis erinnern.«
»Was für einen Termin?«
»Einfach ein wichtiger Termin.«
Sie runzelt die Stirn und nickt.
Ruiz ignoriert meine ausgestreckte Hand mit einer Miene wie ein
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