Adrianas Nacht
Ausnahmesituation wegen der Verlobung, und ich wäre total glücklich, wenn das ginge. Der ältere Herr dachte nicht lange nach, sagte, na, da müsse man wohl mal eine Ausnahme machen, und erklärte und zeigte mir, wo ich am Samstag den Schlüssel finden könne, wo das Licht angehe und wo ich den Schlüssel dann wieder zu deponieren hätte. Ich gab ihm meine Karte, falls doch etwas dazwischenkäme, gab ihm die 200,- Euro, wir schüttelten uns nun ernsthaft und freundschaftlich die Hand, und das Geschäft war unter Männern besiegelt.
Mich über diesen schönen Coup freuend, fuhr ich weiter zu meinem Klienten, schickte, bevor ich sein Haus betrat, Adriana diese SMS: Adriana, Samstag gibt’s eine Landpartie!, und ließ mir, bevor ich meinen Klienten wieder verließ, von diesem noch ein gutes Restaurant in der Gegend des kleinen Schwimmbades nennen.
Nach dem köstlichen Essen im Garten des Landrestaurants, an einem weiß gedeckten Tisch unter einer bestimmt tausendjährigen knorrigen, verwilderten Eiche, die schon alles gesehen hatte, was es unter einer Eiche so zu sehen geben konnte, Zeugung, Geburt, Tod, Krieg und Frieden, nach einigen Gläsern leichten Landweins und einigen Portionen unglaublich liebevoll zubereiteter ländlicher Speisen fuhren wir über eine dieser herrlich kühlen Alleen zu den Wassermännern. Du musstest sehr lachen, als ich Dir nach dem Dessert eröffnete, dass wir mit ebendiesen Wassermännern noch ein Rendezvous hätten. Und nachdem Du dreimal »Das glaub ich nicht! Das glaub ich echt nicht! Nein wie toll, das glaub ich nicht!« gesagt hattest, wie eine kleine Zauberformel, waren wir auch schon bei den Wassermännern angekommen. Du hattest gar nicht auf mich geachtet, hattest Dich blitzschnell entkleidet und warst mit einem Freudenschrei ins Wasser gesprungen. Es machte Dir solchen Spaß, da zu schwimmen, zu springen, herumzutollen und zu spritzen. Ich war glücklich darüber, Dir offensichtlich einen Herzenswunsch erfüllt zu haben, und schubste Dich immer wieder ins Wasser oder warf Dich hoch, so dass Du quietschend ins erfrischende Nass platschtest.
Als sich die erste Euphorie gelegt hatte, holte ich die Kühltasche, die ich mit dem Nötigsten bestückt hatte, Prosecco, Obst und Gläsern, und baute uns an einem kleinen Tisch, neben dem zwei alte gestreifte, mit Leinen bespannte Liegestühle standen, ein liebliches Stillleben. Auf die Stühle legte ich weiche, große Badetücher, und so ruhten wir einen Moment, tranken, genossen den frischen Saft des Obstes, in das wir bissen, und sagten kein Wort. Die Sonne verschwand allmählich hinter den Bäumen, schickte aber noch genügend Energie, um unsere Körper warm zu halten. So lauschten wir gebannt der plötzlichen Stille, und Du warst wie benommen vom Sommerglück, das da heute so unverhofft über Dich hergefallen war.
Ich nahm Dich bei der Hand und zog Dich aus Deinem Liegestuhl hoch. Als wir voreinander standen, küsste ich Dich das erste Mal an diesem Abend. Ich hielt wieder Deinen Kopf zwischen meinen Händen, meine Augen sandten Dir den von uns beiden ganz offensichtlich und zu Recht tabuisierten Satz: »Ich liebe Dich!« Aber ich blieb stumm, und Du verstandest ohne meine Worte jeden meiner Gedanken. Ich küsste Deine Stirn, Deine Wangen, Deine Nase, zärtlich, leicht, hingehaucht, streichelte Dein Haar, Deinen Hals. Du schmiegtest Dich an mich, hieltest Dich an mir fest, Deine Stirn an meinen Hals gelegt, in Gedanken versunken, in Erwartung dessen, womit wir uns gleich verwöhnen würden. Du schautest in den Sonnenuntergang. Die Sonne färbte Deine Brüste, Deinen Bauch, Deine Beine mit ihrem Rot in ein tiefes, anziehendes, wundervolles Braun, und wir beide wollten in genau diesem Moment die Zeit zum Stillstand bringen. Einfach stehen bleiben, die Nähe genießen, den Geruch des abendlich aufgeheizten Grases, das die erste Feuchte des Abends gierig trank, den warmen Wind, der uns streichelte, Deine Berührungen, Dein Atem, das Bild Deines Körpers in seiner Pracht, im malerischen Spiel der sommerlichen Abendpalette, mit der der größte aller Maler diese Szenerie gerade für uns allein schuf.
Wir gingen langsam, ahnend, ersehnend, was wir nun tun würden, miteinander wieder in das warme Wasser des kleinen Schwimmbades. Wir tauchten unter und schwammen noch einige Runden jeder für sich. Ich beobachtete Dich dabei. Du warst eine so wundervolle Schwimmerin. Das Wasser glitt, vermutlich, weil es ebenso Deine Nähe suchte wie ich und
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