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Adrianas Nacht

Adrianas Nacht

Titel: Adrianas Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon von Winterstein
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Ich hatte beim Atmen nur noch das Gefühl, ganz tiefes Brummen zu sein, Du warst ein Stöhnen, Knurren, Hecheln, ein herrliches, entfesseltes, völlig allen Zwangs befreites Naturwesen. Nichts begehrte ich mehr auf der ganzen Welt in diesem Moment, niemandem wollte ich näher sein.
    Da explodierte es in uns. Wie eine Kettenreaktion. Ich kam zuckend in Dir und meine heiße, weiße Explosion legte den Funken an das Feuerwerk, das sich nun in Dir entzündete. Wie Feuer raste es durch Dich und war Glück und Lachen und plötzliche Entspannung, Nähe, unglaubliche Nähe und Rausch und Licht.
    Wir fielen zurück, glitten aufeinander, hielten einander fest, küssten uns wahllos und dämmerten noch lange dann dahin. Jeder ganz bei sich und doch so sehr gemeinsam im schönen Moment. Wie Schlafwandler fuhren unsere Hände über den Körper des andern, wie im Traum fanden sich auch unsere Lippen zu einem nicht enden wollenden, dankbaren Kuss.

7.
    Als der Morgen dämmerte, erwachte ich in meinem Wagen. Mein Rücken tat mir weh, meine rechte Hand kribbelte. Ich brauchte eine Weile, bis ich wieder wusste, wo ich war, und einen Blick auf meine Uhr, um herauszufinden, wie lange ich geschlafen hatte. Ein herrlicher Sommertag schickte sich an, hinter dem Horizont hervorzuklettern, aber es war noch viel zu früh, um sich bei Nicole, vor deren Tür ich noch immer parkte, zum Frühstück einzuladen. Also fuhr ich in Richtung meiner Wohnung, kaufte an einer Tankstelle Croissants und stand 20 Minuten später in meiner Küche.
    Meine Reinmachefrau hatte die Freitagspost säuberlich auf den Tresen gestapelt, der den Living Room von der offenen, ebenfalls geräumigen Küche trennte. Ich nahm den Stapel, blätterte ihn durch, um nachzusehen, wer neben den Marketingexperten der umliegenden Supermärkte und Möbelhäuser noch meine ungeteilte Aufmerksamkeit erwartete, während ich meine Espressomaschine warmlaufen ließ und die Croissants auf den Toaster legte, um wenigstens ihnen wieder etwas Leben einzuhauchen. Da stoppte ich erschrocken. Ein Brief der Oberpolizeidirektion. Hatten sie mich jetzt doch erwischt? Würde es mir gelingen, meine Anwesenheit am Unfallort zu erklären, ohne dass sich eine Beziehung zwischen Adriana und mir ergab, die das Vertrauen ihres Mannes in ihre Treue erschütterte und, schlimmer noch, Adriana in der Erinnerung ihrer so grenzenlos geliebten Tochter als dumme Ehebrecherin dastehen ließ, die auf ihrer krummen Tour auch beinahe ums Leben gekommen war? Und ob das beinahe mehr war als meine vage Hoffnung, würde sich auch erst zeigen. Ich schaffte es gerade noch, die Croissants vom Toaster zu schlagen, damit sie nicht ganz verbrannten. Dann kochte ich missmutig vor mich hin brütend meinen Kaffee, stellte Butter, Marmelade und Zucker bereit und setzte mich an den Tresen. Den Brief legte ich ungeöffnet wieder auf den Stapel Post.
    Um mich abzulenken, ließ ich die Nachrichten, die seit Freitagmorgen auf dem Anrufbeantworter gelandet waren, ablaufen. Eine Nachricht meines Vaters, der in ernstem Ton um Rückruf (»endlich einmal!«) bat, zwei Nachrichten meiner Assistentin, dass ich Ronald und Susanne dringend wegen des Skripts anrufen solle, eine Nachricht meines Steuerberaters, der um die Einreichung einiger Unterlagen bat (»Um es kurz machen, ich schicke Ihnen noch mal eine Mail!«), Peter, der sich Sorgen um mich machte, weil ich, wie er das ganz vorsichtig sagte, gestern bei meiner Stippvisite im Büro wirklich fertig ausgesehen hätte (»Du solltest drüber nachdenken, bei einer Momo-Verfilmung als Grauer Mann unterzukommen.«). Er schlug vor, dass wir uns am Wochenende träfen. Zuletzt eine Nachricht von Nicole, Zeit: 4:37 Uhr: »Sag mal, Leon, stehst du mit ausgeschaltetem Handy da gerade unten vor meinem Haus und, wenn ich das richtig sehe von hier oben, schläfst du? Muss ich mir jetzt auch noch Sorgen um dich machen? Melde dich doch bitte mal, okay? Aber bitte nicht vor elf Uhr, mein großer Schatz.«
    Ich frühstückte zu Ende. Dann traute ich mich endlich, den Brief von der Polizei zu öffnen, und war wenigstens in dieser Hinsicht erleichtert. In dem Brief war lediglich ein Strafzettel, datiert auf den Abend des Unfalls. Es gab aber keinen Hinweis darauf, dass jemand das Falschparken meines Wagens genau neben der Unfallstelle mit dem Unfall selbst in Verbindung gebracht hätte. Ich versuchte, den Rückenwind der guten Nachricht zu nutzen und endlich das Skript für den Film zu lesen, um wenigstens

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