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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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Beschimpfungen überschütten wird. Du siehst, Benedetto Gui, du wolltest das letzte Wort in dieser Geschichte haben … Nun, du wirst das letzte Wort sein ! Was
für eine schöne Rache: Benedetto Gui genau durch das zu vernichten, worin er unbezwingbar war: seinen Geist!«
    Er stopfte ihm eine Maulbirne in den Mund und verließ die Krypta.
    Benedetto hatte begriffen, was ihn erwartete und welche Gefahren für seine geistige Verfassung dies barg. Mehr als einmal hatte er nach einer durchwachten Nacht bemerkt, wie sein Geist sich verlangsamte und seine Konzentration nachließ.
    »Fünf Nächte …!«
    Nachdem Bazan gegangen war, bemerkte er zwei Gestalten, die ihm in der Zelle Gesellschaft leisteten, konnte jedoch ihre Gesichter nicht erkennen.
    Er betrachtete sein Schild. Wie viele Stunden würde es dauern, bis sich ihm der Sinn dieses schlichten Satzes entziehen würde? Wie viele Stunden, bis er sich fragte: Wer ist Benedetto Gui, der auf alles eine Antwort hat? Wie viele Stunden, bis er nicht einmal mehr fähig war zu lesen?
    Er, der so viel gelernt hatte, der ganze Werke von Boëthius und Abschnitte aus der Seereise des heiligen Brendan auswendig rezitieren konnte, wäre bald nur noch dazu fähig, die ersten drei Buchstaben des Alphabets aufzusagen …
    Ordo disciplinae .
    Sein ganzes Leben lang hatte er gelernt, nachzudenken, Tatsachen zu verknüpfen, Pläne aufzustellen, Hinweise zu speichern, Rätsel zu lüften.
    Ordo disciplinae .
    Das war seine Devise gewesen. Sie musste es auch jetzt bleiben, mehr denn je.
    Er war allein, sein Körper war außer Gefecht gesetzt, er war ein Gefangener seines Gehirns, dieser »Welt zwischen seinen zwei Ohren«, die die Römer so faszinierte. Sein Gehirn. Sein einziger Verbündeter. Seine Waffe. Die Ereignisse der letzten Zeit, vom
Auftauchen Zapettas bis zu seiner Verhaftung bei Moccha, drängten in sein Gedächtnis, und ein bitterer Beigeschmack des Unfertigen haftete ihnen an.
    Er dachte an das letzte Mal, als er geschlafen hatte. Es war in der Herberge von Pozzo gewesen, am Vorabend seiner Rückkehr nach Rom. Und er wusste nicht, wie lange er zwischen dem Palast des Kardinals und hier besinnungslos gewesen war.
    Ein Eimer eiskaltes Wasser wurde über seinen ganzen Körper ausgegossen. Das raubte ihm den Atem. Er hustete und schlotterte am ganzen Körper.
    Denk nach! Denk nach, solange du noch kannst …
    Zapetta, Chênedollé, die Witwe, Rainerio, Otto Cosmas, Rasmussen, Marteen, Tomaso, Evermacher, Cantimpré, Pozzo, die Wunderkinder, Augustinus, Constanza, der Lateran, Moccha, das Gotteskind...
    Denk nach.
    Ein Teil fehlte in dieser Geschichte.
    Was war ihm entgangen?

XIV
    N achdem Domenico Profuturus ihm die fünf Wunderkinder N ad providam vorgeführt hatte, begab sich Artemidore de Broca in einen mit gold- und silberdurchwirkten Brokattapeten ausgeschlagenen weitläufigen Audienzsaal, um seiner Tochter in Gegenwart des Abtes das Experiment zu erläutern, für das sie sich so sehr aufgeopfert hatte.
    Até erfuhr zum ersten Mal sowohl von der höchsten Funktion dieses Klosters wie auch von dem aberwitzigen Vorhaben, das der Grund dafür war, weshalb sie zwei Jahre lang eine Söldnertruppe angeführt hatte, um Jungen und Mädchen zu rauben.
    Artemidore erläuterte: »Das erste Ziel unserer Organisation besteht darin, die Wahrheiten der heiligen Texte in einem neuen Licht zu zeigen. Ihre Echtheit zu überprüfen. Egal, ob dies hier oder in situ geschieht, wir unterziehen die Wunder der Bibel, der Evangelien und der Heiligenlegenden einer peniblen Untersuchung, ohne die mythologischen und heidnischen Texte außer Acht zu lassen, die ihnen vorausgegangen sind. In diesem Sinne wurden in den letzten Jahren die magische Medizin der ägyptischen Göttin Sachmet, die babylonische Astrologie, die Dämonenbefragungen Salomos, die sibyllinischen Orakel, die Zeitalter des Joachim von Fiore und die Wahrhaftigkeit
des Titanengeschlechts von unseren Gelehrten überprüft.
    Aber auch die Bedingungen der Sintflut, die Teilung des Roten Meeres, die Abstammung von Josef und Maria, die Lage von Atlantis nach Platon, die Verbindungen zwischen Seele und Körper, die zehn Plagen, die den Pharao trafen, die Erdstöße des Enkelados und so weiter. Dank Gott ist die Liste noch lang.«
    Er blickte zu Profuturus, der bestätigend nickte.
    Der Kanzler setzte sich auf einen Bischofsstuhl. Er führte einen Becher Gewürzwein an seine Lippen und fuhr sodann fort: »Unser Konvent von Meggido ist

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