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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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sich, und nur durch einen Tränenschleier nahm er wahr, wie die Kinder hinter einem Pfeiler verschwanden...
    Man schleppte ihn fort.
    Die Welt um ihn herum drehte sich, der Himmel, die Mauern des Klosters, die unscharfen Umrisse seiner Angreifer, alles wurde zu einer Mischung aus Schwindel und Schrecken. Aufregung, Zorn und Auflehnung machten ihn rasend.
    Seine Angreifer hoben ihn hoch und warfen ihn sogleich wieder hinunter: Abas Gesicht tauchte in eiskaltes Wasser. Er wollte sich wehren, blieb jedoch bis zum Hals unter der Oberfläche gefangen. Er dachte an die Springbrunnen, die er in den Gärten gesehen hatte. Zwei Arme pressten seinen Bauch zusammen, und unter der Macht des Drucks entwich die Luft mit einem Schlag aus seinen Lungen.
    Sein gesundes Auge begann bei der Berührung mit dem kalten Wasser zu brennen, die leere rechte Augenhöhle füllte sich, die Kehlkopfbänder traten wie Messerklingen hervor; er spürte,
wie seine Schläfen dröhnten und wie das Wasser über die Nasenlöcher in seinen Mund drang und seine Lungen sich vor Schmerz zusammenzogen …
    Er bäumte sich ein letztes Mal auf, um sich von seinen Angreifern zu befreien. Doch seine Kräfte begannen bereits zu erlahmen; sein Körper verkrampfte sich durch den Sauerstoffmangel, er fühlte, wie seine Säfte sich in Gift verwandelten, und schrie nach Luft.
    Schlag um Schlag prasselte auf den Priester herab. Sein Auge lief blutrot an, ein leuchtender, beinahe blendender roter Schleier legte sich darüber, dann wurde es Nacht.
    In einem Augenblick der Hellsichtigkeit sagte er sich, dass er dieses Kloster durch die eiserne Falltür für die Leichen verlassen würde, die er am Tag seiner Ankunft gesehen hatte …
    Er war nicht darauf vorbereitet, so früh zu sterben. So kurz vor dem Erreichen seines Ziels. Kraftlos gab sein Körper seinen Überlebensinstinkt auf, der ihm verbot zu trinken, und ließ das Wasser in sich eindringen: ein langer, eiskalter Schluck, endlos, ein Schwall ohne Geschmack, der wie eine Befreiung über ihn kam.
    Er spürte seine Gedärme nicht mehr.
    Er stieß seine letzten Luftblasen aus.
    Der Schmerz war verschwunden. Er wusste nicht mehr, wo er war noch wer er war; alles hatte sich zu einem einzigen Bruchteil der Zeit verdichtet.
    Mit diesem Gefühl eines Bruchs und der Rückkehr zur Ruhe wich das Leben aus Guillem Aba.

XII
    A rtemidore de Broca traf bei Até und Profuturus ein. Ein junger Mann stützte ihn. Es war das erste Mal, dass er seine Tochter wiedersah, seit sie in Rom miteinander gesprochen hatten und sie nach Cantimpré und Castelginaux aufgebrochen war.
    Até trat vor ihren Vater und küsste seine Hand, wie es Brauch war. Er strich ihr zärtlich über die Stirn.
    Anschließend begab er sich in die unterirdischen Gewölbe des Klosters, wo sich die Krypten für die Experimente befanden.
    Sie bogen in einen dunklen Gang ein. Die wenigen schmalen Schlitze in den Mauern ließen nur spärliches Licht hereinfallen. Artemidore führte seine Tochter an eine dieser Öffnungen. Sie sah die junge Agnès in Gesellschaft zweier Mönche in einer Krypta stehen, welche von zahlreichen Kerzen erhellt wurde. Ihre Stirn war mit Blutstropfen übersät. Einer der Mönche näherte sich ihr, doch das Mädchen schrie auf und schlug um sich, damit er sie nicht berühren konnte. Der zweite Mönch musste sie mit Gewalt zum Stillhalten zwingen.
    Der erste entnahm mit einem Kupferlöffel etwas Blut; anschließend ging er zu einem Pult, auf dem sich ein Fläschchen mit Blut in einer anderen Farbe befand. Mit einer Glasscherbe verglich er die beiden Proben im Lichtschein einer Kerze. Daraufhin ergriff er
einen Stoffstreifen und legte ihn über die Stirn des Kindes. Er entrollte ihn auf dem Pult. Agnès’ Blutspuren hatten Worte und einen lateinischen Satz darauf eingeprägt.
    Der Mönch wandte sich zur Mauer mit den Öffnungen und nickte langsam zur Bestätigung.
     
    Artemidore stellte sich vor eine andere Maueröffnung, die den Blick in eine zweite Krypta freigab.
    Dort befand sich Perrot, er war fest an einen Stuhl gefesselt. Até konnte eine abwehrende Bewegung nicht unterdrücken.
    »Weshalb bindet Ihr ihn fest?«, fragte Artemidore mit leiser Stimme.
    »Seit einiger Zeit sind die Kinder widerspenstig. Sie wollen nicht mehr mitarbeiten.«
    »Ahnen sie etwas?«
    Der Abt schüttelte verneinend den Kopf.
    »Das ist unmöglich, Euer Gnaden …«
    Er wollte seinen Herrn beruhigen.
    »Ihre Reaktion ist normal. Jesus selbst muss mehrmals dazu

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