Advocatus Diaboli
geruht …«
XV
B enedetto Gui hörte, wie die Tür zur Krypta sich öffnete und über den Lehmboden strich, dann das Klirren eines Zinnkrugs, der auf dem Boden abgestellt wurde.
Ein Folterknecht entfernte die Maulbirne, die ihm die Kiefer ausrenkte. Er steckte einen Trichter zwischen seine Zähne; Gui spürte, wie eine ekelerregende Mischung aus heißem Wasser und einem Brei aus Körnern und Schweinefett seinen Magen aufblähte.
Ihm wurde schwindlig. Sein Bauch schwoll durch die Brühe an. Nachdem der Schinder ihm die Maulbirne wieder in den Mund gesteckt hatte, wurde ihm bewusst, dass seine Zunge doppelt so groß geworden war.
Allmählich machten sich die Folgen der Erschöpfung bemerkbar. Der unaufhörliche Schmerz, den seine auseinandergespreizten Gliedmaßen verursachten, beschleunigte seinen Herzschlag, und das erschöpfte ihn. Seine Wahrnehmung von Augenblick und Zeitdauer wurde zusehends unscharf; die Zeit nahm jene Unmittelbarkeit ohne Vergangenheit oder Zukunft an, die man in Träumen erlebt. Er wusste nicht mehr, seit wie vielen Stunden er auf diesem Folterbett hingestreckt lag.
Abgesehen davon versuchte er seinen Körper zu ignorieren.
Seine Folterer achteten darauf, dass er nie die Augen schloss.
Jeden noch so winzigen Moment geistiger Klarheit verwandte er darauf, die einzelnen Fakten um Rainerios Verschwinden wieder durchzugehen.
Er ging immer vom selben Ausgangspunkt aus:
Es ist offensichtlich, dass alles, absolut alles an dem Tag seinen Anfang genommen hat, an dem Rainerio klar wurde, dass einige mit mysteriösen Fähigkeiten begabte Kinder verschwanden und dass die Berichte, die er dem Lateran übergeben hat, ihren Entführern zuvor die notwendigen Erkenntnisse lieferten!
Diese Entdeckung muss den Jungen niedergeschmettert haben. Fühlte er sich nicht verantwortlich für das, was den Kindern angetan wurde? Hatte er nicht gegen seinen Willen im Laufe seiner Nachforschungen für die Heilige Kongregation die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt?
Schwarze Messen, Vergewaltigung, Mord, Erpressung, Scheiterhaufen, was mag er sich nicht alles ausgemalt haben?
Der Erste, auf den sein Verdacht fallen musste, war sein Herr, Henrik Rasmussen! Immerhin liefen seine Nachforschungen über die Kinder bei ihm zusammen, bevor sie im Lateran zirkulierten …
Wenn Benedettos Kopf nicht zwischen zwei Holzzwingen eingequetscht gewesen wäre, hätte er ihn nun geschüttelt.
»Nein. Hauser hat in Pozzo versichert, dass auch Rasmussen über die Entdeckung seines Gehilfen in Hinblick auf die verschwundenen Kinder entsetzt war. Sie arbeiteten Seite an Seite.«
Was also hatten sie in Erfahrung gebracht?
Benedetto grübelte über die Art ihrer Beziehung nach.
Sie haben sich durch die Vermittlung von Otto Cosmas kennen gelernt. Dieser kannte Rasmussen, weil der ihn beauftragt hatte, eine Hagiographie der Heiligen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Jugend zu verfassen.
Doch Cosmas wird alt. So beginnt er sich für den kleinen Rainerio, den Nachbarjungen, zu interessieren. Er bringt ihm Lesen
und Schreiben bei. Er gewinnt seine Freundschaft und sein Vertrauen. Als es so weit ist, ist der Jüngling Rainerio bereit, ihm zur Hand zu gehen.
Einige Jahre später stirbt Otto Cosmas, und Rainerio nimmt die Fackel auf. Er übergibt das vollständige Werk dem Mann, der es vielleicht gar nicht mehr erwartete: Monsignore Henrik Rasmussen.
Benedetto stellte sich die Überraschung des Kardinals über diesen Jungen aus dem Volk vor, einen Handwerkersohn, der die Arbeit eines alten Gelehrten vollendet hatte: Da stand ein beherzter junger Mann vor ihm, dessen Kopf vollgestopft war mit Geschichten über das Leben der Heiligen und der im Lateran unbekannt war. Was für ein Glücksfall! Er nahm ihn in seine Dienste.
Was für ein Erfolg für Rainerio! Ohne Titel, ohne Bildung war er nun plötzlich ins Zentrum der Macht in Rom aufgenommen!
Tomaso di Fregi, der Kindheitsfreund, schilderte einen Rainerio, der immer ehrlich, naiv und großherzig, aber auch leicht zu beeinflussen war. Er habe sich vollkommen den Gewohnheiten von Otto Cosmas angepasst und sogar sein Temperament verändert, damit er besser mit ihm harmonierte.
Kein Zweifel, dass er es so auch bei seinem Wohltäter Henrik Rasmussen gemacht hat. So schnell wie er zur Bewunderung bereit war, musste er Rasmussen verehren.
Rainerio ist damals ein glücklicher junger Mann. Das Glück lacht ihm. Er assistiert einer hochrangigen Persönlichkeit der Kirche.
Zapetta
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