Aegypten
notwendigen Vorbereitungen. Semset bat seinen Bruder, Pepis Onkel, sich während seiner Abwesenheit um die Familie zu kümmern. Der Bruder versprach es.
Dann sollte Pepi das verbliebene Korn vom Vorjahr zählen und für die Mutter in Wochenrationen einteilen. Den Ochsen verlieh Semset für ein halbes Jahr, gegen eine monatliche Lieferung von frischem Gemüse und Datteln, an einen Nachbarn.
Pepis Mutter
und den sechs Geschwistern
würde es während ihrer Abwesenheit
also an nichts fehlen –
und die beiden kräftigsten Esser
waren ja aus dem Haus.
Als das Schiff des Pharao anlegte, war ganz Assiut auf den Beinen. Die bauchigen Transportschiffe, mit denen die Beamten die Steuern nach Memphis fuhren, waren ein alltäglicher Anblick. Aber diese großen Passagierschiffe segelten nur höchst selten an der Stadt vorbei.
Pepi verabschiedete sich von seiner Mutter und den kleinen Geschwistern. Dann schulterte er seinen Sack mit den Kleidern und dem Reiseproviant.
Seine Mutter küsste ihn auf die Stirn und überreichte ihm als Abschiedsgeschenk die schönsten Ledersandalen, die er je gesehen hatte.
„Die habe ich für dich geflochten. Du bist ja jetzt ein Mann!“
Zum Dank umarmte Pepi seine Mutter noch einmal kräftig, steckte die Sandalen in seinen Sack und watete mit seinem Vater Semset durch die Felder zum Steg.
Außer den beiden hatten sich noch etwa hundert weitere Bauern zum Dienst gemeldet.
„Wo sollen die nur alle arbeiten?“, fragte Pepi seinen Vater.
Er dachte an das Grab, in das sie vor einem Jahr die Mumie seines Großvaters gelegt hatten. Daran hatten Semset und Pepis drei Onkel nicht länger als zwei Tage gebaut. Sicher bekam ein Pharao ein etwas größeres Grabmal, aber gleich hundert Arbeiter? Nein, das konnte sich Pepi beim besten Willen nicht vorstellen.
Als alle Männer über eine Leiter an Deck gestiegen waren, wurden die Segel gesetzt.
Pepi drehte sich zum Ufer
und winkte.
Hunderte von Menschen
winkten zurück.
Auch alle seine Freunde.
Pepi war mächtig stolz, dass er
mit den erwachsenen Männern
unterwegs sein durfte.
Während die Matrosen das Schiff mit langen Staken in die Mitte des Nils schoben, hockten die Passagiere an Deck. Pepi staunte. Es waren schon jede Menge fremde Menschen aus anderen Dörfern an Bord. Pepi zählte über zweihundert! Was für ein Grab sollte das denn bloß werden?
Ankunft auf der Baustelle
Als es dunkel wurde, streckten sich die Passagiere an Bord des großen Flussschiffes auf den Planken aus. Pepi kuschelte sich an seinen Vater und sah zu den Sternen.
„Erzähle mir von Re“, bat Pepi leise.
Semset bettete den Kopf seines Sohnes auf den Schoss und begann.
„Am Anfang aller Zeit herrschten die Götter als Könige auf der Welt. Einer der mächtigsten von ihnen war Re. Er erschuf die Menschen. Als er diese große Tat vollbracht hatte, stieg er in den Himmel auf. Gemeinsam mit Maat, seiner Tochter, fährt Re nun jeden Tag über den Himmel. Da ist es sicher.
Abends aber steigen die beiden in die Nachtbarke. Dann müssen sie das Totenreich durchqueren. Und dort lauert Apophis, der Schlangengott. Er verbreitet Chaos und Finsternis. Re muss ihn jede Nacht besiegen, sonst geht die Sonne nicht mehr auf.“
„Jede ... Nacht ...“, murmelte Pepi.
Dann hatte ihn das schwankende Schiff in den Schlaf geschaukelt.
Pepi erwachte, als ihn jemand
an der Schulter rüttelte.
Einen kurzen Moment lang
dachte er, sein Bruder
wolle ihn wecken.
Dann fiel Pepi wieder ein, dass er gar nicht zu Hause geschlafen hatte. Sofort war er hellwach. Sein Vater Semset stand vor ihm.
„Sind wir da?“, fragte Pepi und hob den Kopf. Das Schiff hatte angelegt.
Waren das dort drüben die Dächer von Memphis?
„Nein“, lachte Semset. „Noch lange nicht. Es gibt etwas zu essen.“
In dieser Stadt wurden ebenfalls Hunderte von Männern an Bord genommen. Pepi staunte. Langsam wurde es eng auf dem Schiff. An diesem und an den darauffolgenden Tagen waren die Mahlzeiten einfach, aber ausreichend. Brot, Bier, Trauben, Datteln und Feigen gab es auf dem Schiff. Am Abend kamen noch Stängel von Lotos und Papyrus hinzu.
Am zehnten Tag schallte endlich der erlösende Ruf über Deck: „Wir sind am Ziel! Ende der Fahrt!“
Voller Vorfreude stürmte Pepi
an die Reling.
Er traute seinen Augen kaum.
Von der prächtigen Hauptstadt,
auf die er sich so gefreut hatte,
war nichts zu sehen.
Soweit das Auge reichte, waren
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