Aegypten
nur Sand und Geröll zu sehen. Das sollte Memphis sein? Jedenfalls ragte hier ein Steg neben dem anderen in den Nil hinein. Hunderte, ja Tausende von Bauern verließen die Schiffe und gingen an Land. Weiter hinten wurden riesige Steinbrocken abgeladen.
„Weitergehen! Fürs Gaffen bekommt ihr euer Essen nicht!“, schimpfte ein großer Mann und knallte mit der Peitsche in die Luft. „Userkaf, unser zweiter Oberaufseher, ist für euch Gesindel zuständig. Also da lang. Beeilung!“
Mit dem Kinn wies er den Bauern den Weg. Eine ungeheure Menschenmenge wälzte sich nun wie eine Lawine über einen Hügel. Pepi brannte der Sand in der Kehle. Sein Sack wurde ihm schwer, aber er biss die Zähne zusammen.
„Ich muss durchhalten! Soll sich mein Vater etwa für mich schämen?“, sprach er sich selbst Mut zu.
Dann wurden sie von den Beamten des Pharao in Augenschein genommen. Zwanzig oder dreißig Aufseher und Schreiber saßen hinter dem Hügel in ihren Bretterhütten.
Unter einem Baldachin aus feinem Stoff thronte ein Mann mit einem Umhang aus Leopardenfell. Zwei Sklaven fächelten ihm Luft zu.
„Ist das Cheops, unser Pharao?“,
erkundigte sich Pepi leise.
Sein Vater schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist Userkaf,
der Oberaufseher.
Er verteilt die Arbeit.“
Der Mann sah gelangweilt in die Menge.
„Die Leute aus Assiut sind stark!“, rief er über den Platz. „In der fünften Morgenstunde beginnt ihr mit eurer Arbeit: Steine schieben. Legt eure Sachen in das Zelt, das euch mein Schreiber zeigt.“
Die Baustelle
Pepi stand in einem riesigen Zelt neben seinem Vater und schüttelte ungläubig den Kopf. Assiut war keine kleine Stadt, aber so viele Leute an einem Ort hatte er noch nie gesehen. In dem Zelt war ein Gedränge wie auf dem Kamelmarkt im Peret, der Jahreszeit der Aussaat. Ein schmales Bett reihte sich an das andere.
„Ich nehme das hier“,
sagte Pepi schließlich
und warf seinen Reisesack
auf eine Pritsche
in der Mitte des Zelts.
„Hey, hast du keine Augen im Kopf?“, schimpfte ein Mädchen in einem schmutzigen Kleid. „Das ist meins. Schlaf woanders!“
Sie hatte ihr Bündel auf das gleiche Bett fallen lassen. Vielleicht einen Herzschlag eher als Pepi. Pepi war sprachlos. So vorlaute Mädchen gab es in Assiut nicht. Mit grimmigem Gesicht baute es sich vor Pepi auf und schubste ihn von sich weg.
„Benimm dich, Iri!“, schimpfte ein glatzköpfiger Mann hinter ihr.
Semset schüttelte den Kopf.
„Lassen Sie doch, Ihre Tochter hat ja recht. Wir werden uns einen anderen Platz suchen.“
Als sich Pepi umdrehte, kniff Iri spöttisch ein Auge zu. So ein doofes Kamel!
Vier Schritte neben den beiden befanden sich zwei freie Betten. Kaum hatte sich Pepi ausgestreckt, schlief er auch schon.
Viel zu früh wurde Pepi
von einer Trommel geweckt.
Mit hastigen Schritten
eilten die Männer
zu den Ausgängen des Zeltes.
Iri klopfte Pepi auf die Schulter. Sie hatte eine Fackel in der Hand.
„Los, aufstehen, Junge! Willst doch sicher ein paar Muskeln kriegen, oder?“
Lachend rannte sie nach draußen. Semset grinste.
„Komm, mein Sohn, gehen wir ans Werk. Mal sehen was Re für uns geplant hat.“
Sie reihten sich in die endlose Kolonne der Arbeiter ein. Noch einen Hügel ging es hoch. Und als der Sonnengott Re seine Reise über den Himmel begann, sah Pepi die Baustelle. Die Umrisse des Grabmals wurden von den ersten goldenen Sonnenstrahlen beleuchtet. Von einer quadratischen Grundfläche führten die Wände schräg nach oben.
„Das müssen ja mehr als tausend Steine sein“, stöhnte Pepi auf.
Der Mann neben ihm lachte.
„Die Seiten des Grabmals sind 440 Königsellen lang, 280 Königsellen soll es hoch werden. Eine Pyramide, die bis zu den Wolken reichen wird.“
Pepi klappte der Unterkiefer herunter. Diese Maße konnten nicht stimmen, sonst ... sonst …
„Dann benötigen wir ja über zwei Millionen Steinblöcke! “
Der Unfall
Pepi stöhnte. Jeder Knochen, jeder Muskel im Leib tat ihm weh. Drei Tage schoben er und sein Vater und hundert andere Männer schon die Steinblöcke auf hölzernen Schlitten durch die Wüste. Stein an Stein, eine unendliche Kette vom Nil zur Baustelle. Frauen und Mädchen legten Baumstämme auf die Rampen – auch Iri. Trotzdem benötigten die Steinschieber all ihre Kraft um die Blöcke zur Pyramide zu rollen. Mit Rechnen konnte sich Pepi ein bisschen ablenken. Wie viele Steine brauchten sie
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