Aelita
das Leben ist dort geblieben….«
Er konnte selbst nicht begreifen, warum ihn bereits die zweite Nacht eine so unerträgliche Sehnsucht nach der Erde quälte, nach sich selbst, nach dem, was dort, hinter den Sternen lebte. Ihm war, als wäre ein lebendiger Faden abgerissen, und seine Seele wollte vergehen in der eisigen schwarzen Leere. Er ließ sich wiederum auf die Kissen sinken.
»Wer ist da?«
Losj sprang auf. Durch das Fenster drang ein Strahl des Morgenlichts. Das strohumflochtene kleine Zimmer war blendend sauber. Blätter rauschten, und Vögel zwitscherten hinter dem Fenster. Losj fuhr sich mit der Hand über die Augen und holte tief Atem.
Wieder klopfte jemand leicht an die Tür. Losj öffnete sie: dahinter stand der gestreifte Dicke und hielt über dem Bauch mit beiden Armen einen Buschen taubetropfter himmelblauer Blumen.
»Aiu utara Aëlita«, flüsterte er und hielt Losj die Blumen hin.
Die Nebelkugel
Beim Frühstück sagte Gussew: »Mstislaw Sergejewitsch, das ist nichts Rechtes. Wir sind weiß der Teufel wie weit geflogen, und nun – bitte schön – sollen wir in einem Krähwinkel hocken. Um es uns in der Badewanne wohl sein zu lassen, deswegen brauchten wir nicht hierherzufliegen. In die Stadt haben sie uns nicht hineingelassen, nicht wahr, und der Bärtige – erinnern Sie sich, wie verdrießlich der dreinschaute? Mstislaw Sergejewitsch, nehmen Sie sich in acht vor dem. Einstweilen geben sie uns noch zu essen und trinken, aber was dann?«
»Wozu die Eile, Alexej Iwanowitsch«, erwiderte Losj und warf dazwischen einen Blick auf die himmelblauen Blumen, die einen süßen und zugleich etwas bitteren Duft ausströmten, »wir bleiben eine Weile hier, schauen uns um, und wenn sie sehen, daß wir nicht gefährlich sind, werden sie uns in die Stadt hineinlassen.«
»Ich weiß nicht, was Sie vorhatten, Mstislaw Sergejewitsch, aber ich bin nicht hierhergekommen, um zu faulenzen.«
»Was sollen wir denn nach Ihrer Meinung unternehmen?«
»Es ist sonderbar, das von Ihnen zu hören, Mstislaw Sergejewitsch. Ist Ihnen etwa schon etwas Süßes in die Nase gestiegen?«
»Wollen Sie sich mit mir zanken?«
»Nein, zanken will ich mich nicht mit Ihnen. Aber dasitzen und an Blumen riechen – das können wir auch auf der Erde nach Herzenslust. Ich denke jedoch so: Wenn wir als die ersten Menschen hier erschienen sind, so gehört der Mars uns, er ist sowjetisch. Und das muß schriftlich festgehalten werden.«
»Ein merkwürdiger Kauz sind Sie, Alexej Iwanowitsch.«
»Na, das wollen wir noch sehen, wer von uns beiden ein sonderbarer Kauz ist.« Gussew zog den Gürtelriemen zurecht, reckte die Schultern und kniff verschmitzt die Augen zusammen. »Es ist keine leichte Sache, das begreife ich selber: wir sind ja nur zu zweit. Aber es ist notwendig, daß sie uns ein Schriftstück aushändigen, in dem sie den Wunsch äußern, sich der Russischen Föderativen Republik anzuschließen. So ohne weiteres werden sie uns dieses Papier natürlich nicht geben wollen; aber Sie haben ja selbst gesehen: bei denen auf dem Mars ist auch nicht alles in Ordnung. Ich habe dafür ein geübtes Auge.«
»Wollen Sie hier etwa eine Revolution entfachen?«
»Wie soll man das sagen, Mstislaw Sergejewitsch? Wir werden sehen. Womit sollen wir denn nach Petrograd zurückkehren? Etwa eine getrocknete Spinne mitbringen? Nein, wir müssen zurückkommen und erklären: Bitte schön, hier ist der Anschluß des Mars an die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Die werden sich schön giften in Europa. Allein das Gold – Sie sehen ja selbst, ganze Schiffe kann man vollladen. So ist das, Mstislaw Sergejewitsch.«
Losj betrachtete ihn nachdenklich; es war nicht festzustellen, ob Gussew scherzte oder im Ernst sprach: seine schlauen, einfältigen Äuglein lachten, aber irgendwo versteckt saß darin ein Fünkchen von Irrsinn.
Losj wiegte den Kopf und sagte, die durchsichtig wächsernen himmelblauen Blütenblätter der großen Blumen berührend, versonnen: »Ich habe mir gar nicht so recht überlegt, wozu ich auf den Mars fliege. Ich fliege, um irgendwohin zu kommen. Es gab Zeiten, da rüsteten Eroberer Schiffe aus und fuhren davon, um neue Länder zu entdecken. Wenn sich auf dem Meer eine unbekannte Küste zeigte, fuhr das Schiff in die Flußmündung ein, der Kapitän nahm seinen breitrandigen Hut ab und gab dem Land seinen Namen. Und dann plünderte er die Küsten. Ja, Sie mögen recht haben: es genügt nicht, an einer Küste anzulegen, man muß
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