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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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sich alles.
    Und jetzt blickten alle, Aëlita und ihre Gäste, aufmerksam auf diesen wolkigen opalisierenden Apfel. Plötzlich hörte das Strömen in seinem Innern auf, und dunkle Flekken traten hervor. Als Losj genauer hinschaute, stieß er einen Schrei aus: auf Aëlitas Hand lag die Erdkugel.
    »Talzetl«, sagte sie und wies mit dem Finger darauf.
    Die Kugel begann sich langsam zu drehen. Es glitten die Umrisse von Amerika und die asiatische Küste am Stillen Ozean vorbei. Gussew wurde aufgeregt: »Das da sind wir, wir sind Russen«, sagte er und tippte mit dem Nagel seines Fingers auf Sibirien.
    Als ein gewundener Schatten glitten die Höhenzüge des Urals vorbei, das Fädchen des Unterlaufs der Wolga. Die Küsten des Weißen Meeres zeichneten sich ab.
    »Hier«, sagte Losj und zeigte auf den Finnischen Meerbusen.
    Aëlita hob erstaunt die Augen zu ihm auf. Die Kugel hörte auf, sich zu drehen. Losj konzentrierte sich, in seinem Gedächtnis erstand ein Stück der geographischen Karte und unverzüglich, gleichsam als ein Abdruck seiner Vorstellung, erschien auf der Oberfläche der nebligen Kugel ein schwarzer Klecks mit von ihm ausgehenden schwarzen Fäden; das waren die Eisenbahnlinien, und auf der grünlichen Fläche eine Aufschrift: Petrograd.
    Aëlita schaute unverwandt hin und verdeckte die Kugel, die jetzt zwischen ihren Fingern hindurch schimmerte. Sie blickte auf Losj und wiegte den Kopf.
    »Oseo, cho sua«, sagte sie, und er verstand: ›Konzentrieren Sie sich und erinnern Sie sich.‹
Da begann er, sich die Stadt Petrograd zu vergegenwärtigen: den Kai aus Granit, die eisigen blauen Wellen der Newa, die von einem kleinen Boot durchschnitten werden, die im Nebel hängenden langgezogenen Bogen der Nikolaibrücke, die dichten Rauchwolken der Fabriken, den Dunst und die Wolken des trüben Sonnenuntergangs, eine nasse Straße, das Ladenschild eines Kleinhändlers, den alten Droschkenkutscher an der Ecke.
Aëlita blickte, das Kinn in die Hand gestützt, ruhig auf die Kugel. Darauf glitten – bald deutlich, bald verwischt – die Erinnerungen Losjs vorüber. Jetzt erschien die matte Kuppel der Isaakskathedrale, und da trat auch schon an ihrer Stelle eine granitene Treppe am Wasser hervor, das Halbrund einer Bank, ein traurig dort sitzendes Mädchen, ihr Gesicht begann zu zittern und verschwand, über ihr zwei Sphinxe mit dreifachen Jiaren auf den Köpfen. Ziffernreihen glitten vorüber, eine Werkzeichnung, da war auch die lodernde Schmiedeesse und der die Glut anfachende finstere Chochlow.
Lange blickte Aëlita auf das merkwürdige Leben, das da an ihr vorbeizog in dem nebligen Strömen der Kugel. Doch jetzt begannen die Bilder sich zu verwirren: beharrlich drängten sich die Umrisse von ganz anderen Dingen vor Streifen von Rauch und Feuerbränden, galoppierende Pferde, laufende und niederfallende Menschen. Da schob sich, alles verdeckend, ein blutüberströmtes bärtiges Gesicht in den Vordergrund. Gussew seufzte laut. Aëlita wandte sich ihm besorgt zu und drehte sofort die Hand um. Die Kugel war verschwunden.
Einige Minuten lang blieb Aëlita, die Augen mit der Hand verdeckend, sitzen. Dann stand sie auf und nahm einen der Zylinder vom Regal, holte eine bleierne Walze hervor und legte sie in den Kasten des Lesetisches mit dem Schirmchen. Danach zog sie an einer Schnur, und die oberen Fenster der Bibliothek überzogen sich mit einem Vorhang. Sie rückte das Tischchen zur Bank und drehte den Schalter.
Die Fläche des Schirmchens erhellte sich, und von oben nach unten glitten darüber Figuren von Marsianern, Tieren, Häusern, Bäumen und Geräten.
Aëlita nannte jede Figur bei ihrem Namen. Wenn die Figuren sich bewegten und vereinigten, nannte sie das Tätigkeitswort. Manchmal wechselten die Bilder mit farbigen Zeichen, wie in dem singenden Buch, und es ertönte ein kaum zu erlauschendes Bruchstück von Musik. Aëlita erklärte die Bedeutung.
Sie sprach mit leiser Stimme. Gemächlich glitten die Abbildungen der Gegenstände dieser merkwürdigen Fibel an ihnen vorüber. In der Stille des himmelblauen Dämmerlichts blickten aschgraue Augen auf Losj, und die Stimme Aëlitas drang wie ein milder und machtvoller Zauber in sein Bewußtsein. Ihn schwindelte.
Losj fühlte, wie sein Hirn klarer wurde, wie nebelhafte Schleier sich hoben und neue Worte und Begriffe sich seinem Gedächtnis einprägten. Das dauerte ziemlich lange. Aber jetzt fuhr Aëlita mit der Hand über die Stirn und löschte das Licht auf der Scheibe.

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