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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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und dem Tanz nackter Frauen den schönsten Jüngling der Stadt und verbrannte ihn im Bauche des Stieres.
    Der Sohn der Sonne war der unumschränkte Beherrscher der Stadt und aller Länder. Er baute Staudämme und bewässerte die Felder. Er verteilte aus den Magazinen Kleidung und Nahrung und bestimmte, wer Land und Vieh zu bekommen hatte und wieviel. Zahllose Beamte führten seine Befehle aus. Niemand durfte sagen: ›Das ist mein‹, weil alles der Sonne gehörte. Die Arbeit war geheiligt. Faulheit wurde mit dem Tode bestraft. Im Frühling ging der Sohn der Sonne als erster hinaus auf das Feld, zog mit vorgespannten Stieren eine Furche und säte Maiskörner aus.
    Die Tempel waren angefüllt mit Getreide, Geweben und Gewürzen. Die Schiffe der Atlantiden mit den purpurnen Segeln und geschmückt mit den Abbildern der Schlange, die eine Sonne im Maule hält, durchfurchten alle Meere und Flüsse. Es trat eine lange Zeit des Friedens ein. Die Menschen vergaßen, wie man ein Schwert in der Hand halten muß.
    Und da zog von Osten her eine Wolke gen Atlantis. Auf den östlichen Hochebenen Asiens lebten gelbgesichtige Menschen mit geschrägten Augen: der mächtige Stamm der Utschkuren. Sie waren Untertan einer Frau, die der Besessenheit fähig war. Sie hieß Su Chutam Lu, was so viel heißt wie ›die mit dem Monde Sprechende‹.
Su Chutam Lu sagte zu den Utschkuren: ›Ich werde euch in ein Land führen, wo die Sonne in einer Schlucht zwischen den Bergen versinkt. Dort weiden soviel Hammel, wie Sterne am Himmel sind, dort gibt es Flüsse, in denen Kumys * fließt, und so hohe Jurten ** , daß man in jede eine ganze Herde Kamele hineintreiben kann. Die Hufe eurer Pferde haben dieses Land noch nicht betreten, und ihr habt mit euren Helmen noch nicht Wasser geschöpft aus jenen Flüssen.‹
Die Utschkuren stiegen herab von ihrer Hochebene und überfielen die zahllosen Nomadenstämme der Gelbgesichtigen, unterwarfen sie und wurden ihre Heerführer. Sie sprachen zu den Besiegten: ›Folgt uns in das Land der Sonne, das Su Chutam Lu uns gewiesen hat.‹
Die Nomaden, die die Sterne verehrten, waren schwärmerisch und furchtlos veranlagt. Sie brachen ihre Jurten ab und trieben ihre Herden gen Westen, Sie wanderten
    * Gegorene Stutenmilch

    ** Filzzelte der mittelasiatischen Nomadenvölker
    langsam, Jahr um Jahr. Vor ihnen her zog die Reiterei der Utschkuren – kämpfend, die Städte überfallend und zerstörend. Hinter der Reiterei trotteten die Herden und fuhren die Wagen mit den Frauen und Kindern. Die Nomaden zogen an Indien vorbei und ergossen sich über das Flachland im Osten Europas.
    Dort blieben viele von ihnen an den Ufern der Seen zurück.
Die Stärksten setzten ihren Zug nach dem Westen fort. An den Küsten des Mittelländischen Meeres zerstörten sie die erste Kolonie der Atlantiden und erfuhren von den Besiegten, wo das Land der Sonne liegt. Hier starb Su Chutam Lu. Sie nahmen ihr die Haare mitsamt der Haut vom Kopf und befestigten sie an einer langen Stange. Mit diesem Zeichen zogen sie am Meer entlang weiter. So kamen sie an den Rand von Europa, und dort erblickten sie, von der Höhe der Berge, die Umrisse des ihnen verheißenen Landes. Seit dem Tage, da die Utschkuren von ihren Hochebenen herabgestiegen waren, waren hundert Jahre vergangen.
Die Nomaden begannen nun die Bäume in den Wäldern zu schlagen und Flöße zu bauen. Auf den Flößen überquerten sie den salzigen warmen Fluß. Nachdem sie den Boden des verheißenen Landes der Atlantiden betreten hatten, überfielen sie die heilige Stadt Thule. Als die Nomaden die hohen Mauern erklommen, wurden in der Stadt die Glocken geläutet; und ihr Klang war so angenehm, daß die Gelbgesichtigen die Stadt nicht zerstörten, ihre Bewohner nicht ausrotteten und die Tempel nicht plünderten. Sie nahmen die Vorräte an Nahrungsmitteln mit sich und zogen weiter, nach Südwesten. Der Staub von ihren Wagen und Herden verdunkelte die Sonne.
Schließlich versperrte ein Heer der Rothäute den Nomaden den Weg. Die Atlantiden waren alle ganz in Gold gekleidet, mit vielfarbigen Federn geschmückt, und sie waren verzärtelt und schön anzusehen. Die Reiterei der Utschkuren vernichtete sie. An diesem Tage nahmen die Gelbgesichtigen den Geruch des Blutes der Atlantiden wahr, und von da an übten sie keine Barmherzigkeit mehr.
Aus der Stadt der Hundert Goldenen Tore wurden Boten ausgesandt: nach Westen zu den Rothäuten, nach Süden zu den Negern, nach Osten zu den Stämmen Aams, nach

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