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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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die weisen Bücher der Söhne Aams wurden wieder gelesen. Ein Kreis hatte sich geschlossen, und ein neuer nahm seinen Anfang. In den Höhlen waren die halbverwesten › sieben Papyri des Schlafenden‹ aufgefunden worden. Mit dieser Entdeckung begann das Wissen sich rasch zu entwickeln. Das, was die Söhne Aams nicht hatten: die unbewußte schöpferische Kraft, das, was den Söhnen des Stammes der Semse fehlte: der klare und scharfe Verstand – das floß in reichstem Maße in dem unruhigen und leidenschaftlichen Blut der Utschkuren.
    Dies waren die Grundlagen ihres Wissens: ›Im Menschen schlummert die mächtigste aller Kräfte der Welt: die Materie der reinen Vernunft. Gleich wie der in der Bogensehne gespannte Pfeil, gelenkt von sicherer Hand, das Ziel trifft, so kann auch die Materie des schlummernden Verstandes angespannt werden von der Bogensehne des Willens und gelenkt werden vom Wissen. Die Kraft des zielbewußten Wissens ist grenzenlos.‹
    Die Lehre vom Wissen zerfiel in zwei Teile: in die Vorbereitung – Entwicklung des Körpers, des Willens und des Verstandes – und die Hauptlehre – die Erkenntnis der Natur, der Welt und der Formeln, durch welche die Materie des zielbewußten Wissens die Natur beherrscht.
    Die vollständige Beherrschung des Wissens, die Blüte einer auf der Erde noch nie dagewesenen und bis auf den heutigen Tag nicht wiederholten Kultur dauerte ein Jahrhundert, in dem Zeitraum vom Jahre vierhundertfünfzig bis zum Jahre dreihundertfünfzig vor der Sintflut, das heißt vor dem Untergang von Atlantis.
    Auf der Erde herrschte allgemeiner Friede. Die durch das Wissen ins Leben gerufenen Kräfte der Erde dienten den Menschen und schenkten ihnen üppiges Wachstum und Überfluß. Die Gärten und Felder gaben ungeheure Ernten, die Herden vermehrten sich, die Arbeit war leicht. Das Volk erinnerte sich der alten Bräuche, Sitten und Feste, und niemand hinderte es daran, zu leben, zu lieben, Kinder auf die Welt zu bringen und sich seines Daseins zu freuen. In den Sagen wird dieses Zeitalter das ›Goldene‹ genannt.
    Zu der Zeit war an den östlichen Grenzen der Erde eine Sphynx aufgestellt worden, die in einem Körper die vier Elemente darstellte: ein Symbol des Geheimnisses der schlafen den Vernunft. Die sieben Wunder der Welt waren erbaut worden: außer der Sphynx das Labyrinth, der Koloß im Mittelländischen Meer, die Säulen im Westen von Gibraltar, der Turm der Astrologen auf dem Poseidones, die sitzende Statue des Tubal und die Stadt der Lemuren auf einer Insel des Stillen Ozeans.
    Das Licht des Wissens drang auch zu den schwarzen Stämmen, die bis zu dieser Zeit in den abgelegenen tropischen Sümpfen leben mußten. Die Neger eigneten sich die Zivilisation sehr rasch an und begannen in Zentralafrika gigantische Städte zu bauen.
    Das Samenkorn der Weisheit der Semse war hoch aufgegangen und trug üppige Blüten. Doch da begannen die weisesten der in das Wissen Eingeweihten zu erkennen, daß dem ganzen Voranschreiten der Zivilisation die uranfängliche Sünde zugrunde liegt. Eine weitere Entwicklung des Wissens mußte zum Untergang führen: die Menschheit würde sich selbst vernichten, wie die Schlange, die ihren Giftzahn in den eigenen Schwanz bohrt.
    Das uranfängliche Böse bestand darin, daß das Sein – das Leben der Erde und ihrer Geschöpfe – verstanden wurde als etwas, das über den Verstand des Menschen hinausgeht. Indem der Mensch die Welt zu erkennen suchte, erkannte er nur sich selbst. Die Vernunft war die einzige Realität, die Welt ihre Vorstellung, ihr Traumgesicht. Eine solche Auffassung vom Sein mußte dazu führen, daß jeder Mensch behaupten konnte, er allein existiere in Wirklichkeit, alles andere, die ganze Welt, sei nur eine Frucht seiner Einbildung, seiner Vorstellung. Das weitere wäre dann unvermeidlich gewesen: der Kampf um die einzige Individualität, der Kampf aller gegen alle, die Vernichtung der Menschheit, die aufsteht gegen den Menschen ihres eigenen Traumes, Verachtung und Verabscheuung des Daseins als eines bösen Traumgesichts.
    So war das uranfängliche Böse in der Weisheit der Semse.
    Das Wissen spaltete sich. Die einen sahen keine Möglichkeit, das Samenkorn des Bösen zu entfernen, und sagten, daß das Böse die einzige das Sein erschaffende Kraft sei. Diese nannten sich die › Schwarzen‹, weil dieses Wissen von den Schwarzen ausging.
    Die anderen, die erklärten, daß das Böse nicht in der Natur selbst liege, sondern in der Abweichung der

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