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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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verwüstete Seelen haben nur einen Wunsch: die Begierde… Die Begierde nach dem Rausch… Und übersättigte Seelen werden nur von Blut berauscht.«
Während Tuskub dieses sagte, stieß er mit dem Finger vor sich in die Luft… Im Saal war zurückhaltendes Murmeln zu hören. Er fuhr fort: »Die Stadt bringt anarchische Persönlichkeiten hervor. Ihr Wille, ihre geistige Leidenschaft ist Zerstörung. Man glaubt, Anarchie sei die Freiheit; nein, Anarchie dürstet nur nach Anarchie. Es ist die Pflicht des Staates, diese zerstörenden Elemente zu bekämpfen – so lautet das Gesetz! Der Anarchie müssen wir den Willen zur Ordnung entgegenstellen. Wir müssen die gesunden Kräfte im Lande aufrufen und sie unter möglichst geringen Verlusten in den Krieg gegen die Anarchie führen.
Wir erklären der Anarchie einen schonungslosen Krieg. Schutzmaßnahmen sind nur ein Notbehelf: die Stunde, da die Polizei ihre verwundbare Stelle offenbart, muß unausweichlich heranrücken. Zur selben Zeit, da wir die Zahl unserer Agenten um das Doppelte erhöhen, vermehrt sich die Menge der Anarchisten um das Vierfache. Wir müssen als erste zum Angriff übergehen, müssenden Entschluß zu einer harten und unvermeidlichen Handlung fassen; wir müssen die Stadt zerstören und vernichten.«
Die Hälfte der Ratsmitglieder im Amphitheater brüllte auf und sprang von den Plätzen. Die Gesichter der Marsianer waren bleich, die Augen glühten. Durch einen Blick stellte Tuskub die Ruhe wieder her.
»Die Stadt wird unausbleiblich, auf diese oder eine andere Weise, zerstört werden, wir selbst müssen die Zerstörung organisieren. Ich werde im weiteren einen Plan vorlegen, der die Umsiedlung der gesunden Teile der städtischen Einwohnerschaft in ländliche Bezirke vorsieht. Zu diesem Zweck müssen wir uns des jenseits der Berge von Lysiasira gelegenen, überaus fruchtbaren Landes bedienen, das seinerzeit von der Bevölkerung nach dem Bürgerkrieg verlassen worden ist. Eine ungeheure Arbeit steht bevor. Doch ihr Ziel ist groß. Es versteht sich von selbst, daß wir mit dieser Maßnahme der Zerstörung der Stadt die Zivilisation nicht retten; wir sind nicht einmal imstande, ihren Untergang zu verzögern, aber wir geben der marsianischen Welt die Möglichkeit, ruhig und feierlich zu sterben.«
»Was sagt er?« schrien die Zuhörer mit erschrockenen und hohen Stimmen.
    »Warum sollen wir sterben?«
»Er hat den Verstand verloren!«
»Nieder mit Tuskub!«
Mit einer Bewegung der Brauen zwang Tuskub das Amphitheater wiederum zur Stille.
    »Die Geschichte des Mars ist zu Ende. Das Leben stirbt aus auf unserem Planeten. Sie kennen die Statistik der Geburten und der Sterblichkeit. Es werden noch einige Jahrhunderte vergehen und der letzte Marsianer wird mit erstarrendem Blick zum letztenmal dem Untergang der Sonne folgen. Es steht nicht in unserer Macht, das Aussterben aufzuhalten. Durch strenge und weise Maßnahmen müssen wir die letzten Tage unserer Welt prunkvoll und glücklich gestalten. Das erste und grundlegende ist: Wir müssen die Stadt vernichten. Die Zivilisation hat alles von ihr genommen; jetzt zersetzt die Stadt die Zivilisation, darum muß sie untergehen.«
    In der Mitte des Amphitheaters erhob sich Gor, jener junge Marsianer mit dem breiten Gesicht, den Gussew im Spiegel gesehen hatte. Seine Stimme klang dumpf und bellend. Er streckte die Hand in der Richtung aus, wo Tuskub stand.
    »Er lügt! Er will die Stadt vernichten, um die Macht zu behalten. Er verurteilt uns zum Tode, um die Macht zu behalten. Er begreift, daß er nur noch durch die Vernichtung von Millionen die Macht behalten kann. Er weiß, wie ihn alle jene hassen, die nicht in goldenen Booten Siegen, alle jene, die in den unterirdischen Fabrikstädten geboren werden und sterben, die an den Festtagen durch die staubigen Korridore taumeln, gähnend vor Hoffnungslosigkeit, alle, die in rasender Wut Vergessen suchend, den Rauch der verfluchten Chawra einatmen. Tuskub hat uns das Totenbett bereitet, mag er sich selbst darauf legen. Wir wollen nicht sterben. Wir sind geboren, um zu leben. Wir wissen von der Gefahr, von der Degeneration des Mars. Aber wir kennen auch die Rettung: Uns wird die Erde retten, die Menschen von der Erde: eine frische, gesunde Rasse mit heißem Blut. Und diese Rasse ist es, die er mehr als alles auf der Welt fürchtet. Tuskub, du hast in deinem Hause zwei Menschen versteckt, die von der Erde hierher geflogen kamen. Du fürchtest die Söhne des Himmels. Du bist nur

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